Der Querdenker der SPD hält einen Vortrag bei der Alternative für Deutschland. Thilo Sarrazin provoziert mal wieder. SPD-Chef Sigmar Gabriel musste ihm zuletzt sogar eine Urkunde schicken.

Bad Iburg/Berlin. 74 Euro sind für den Abend zu berappen, als Speisen werden unter anderem Hirschkeule in Hagebuttensauce und Landschwein-Filet an einer Cognac-Rahmsauce angeboten. Zum Empfang gibt es deutschen Secco. Begrüßung durch den niedersächsischen Landeschef der Alternative für Deutschland (AfD), Armin Paul Hampel, vielen Fernsehzuschauern noch als Südasienkorrespondent der ARD bekannt. Dann hat der Hauptgast das Wort. Ein prominenter SPD-Politiker, der bei der Parteispitze in Berlin in Ungnade gefallen ist. Doch bisher wird sie ihn nicht los.

Rund 50 Zuhörer hat Thilo Sarrazin an diesem Abend in Bad Iburg, einem kleinen Kurort in der Nähe von Osnabrück. Manche sitzen im Anzug da, manche sind leger gekleidet, von Ende 30 bis ins Rentenalter. Der im Plauderton vorgetragene Gedankengang des umstrittenen früheren Berliner Finanzsenators und Vorstandsmitglieds der Bundesbank findet freundlichen Applaus.

Offiziell geht es um sein neues Buch „Der neue Tugendterror“. Aber der Auftritt bei der rechtskonservativen Partei sorgt in Berlin für Ärger. Generalsekretärin Yasmin Fahimi fordert Sarrazin zum Parteiaustritt auf: „Die SPD kommt gut ohne ihn aus.“

Am Sonnabend kamen 200 Delegierte zu einem Parteikonvent der SPD in Berlin. Der Erfolg der AfD in Ostdeutschland – in Sachsen und Thüringen lag die SPD mit jeweils 12,4 Prozent nur knapp vor der AfD – irritiert die Sozialdemokraten. Zumal die AfD mit oft recht einfachen Antworten auf komplexe Fragen auch im SPD-Milieu erfolgreich wildern konnte.

Mit seinen Thesen zur „Überfremdung“ im Buch „Deutschland schafft sich ab“ trifft Sarrazin sicher das Gefühl vieler AfD-Mitglieder. Die SPD sucht noch ihre Strategie zum Umgang mit der AfD. Ist es der richtige Weg, wenn Fahimi die Partei pauschal als „braune Suppe“ verteufelt? Und wenn sie reflexhaft Sarrazin den Austritt nahelegt? SPD-Chef Sigmar Gabriel will sich erstmal nicht äußern zum AfD-Ausflug des ungeliebten Genossen.

Sicher geht es auch um ein Vermarktungsinteresse wegen des neuen Buches. Sarrazin sagt in Bad Iburg: Die AfD habe nur dann eine Zukunft, wenn sie sich nach rechts abgrenze. „Aus meiner Sicht wird die Frage, ob die AfD dauerhaft eine Chance hat, auch an dieser Frage mitentschieden.“ Gleiches sagt übrigens auch der renommierte Politologe Oskar Niedermayer von der Freien Universität Berlin. Weil sie nur dann für konservative Bürger und frühere CDU-Anhänger wählbar bleibe.

Sarrazin nimmt auch hier beim Iburger Salon kein Blatt vor den Mund. Einige AfD-Landesverbände hätten ein „Chaotenproblem“. Trotz der freundlichen Aufnahme beim AfD-Publikum sieht sich Sarrazin aber nach wie vor als SPD-Mitglied. „Wären wir auf einer FDP-Veranstaltung gewesen, hätte es da auch viele Berührungspunkte gegeben, bei einer CDU-Veranstaltung auch“, sagt der 69-jährige „Querdenker“.

Und dann kommt ein kleiner Seitenhieb. Vor wenigen Monaten erst habe er die von Parteichef Sigmar Gabriel unterzeichnete Ehrenurkunde für 40 Jahre Mitgliedschaft in der SPD erhalten, erzählt er. Gabriel war es, der ihn unbedingt aus der Partei haben wollte. 2011 hatte die SPD ein Parteiausschlussverfahren angestrengt, das aber eingestellt werden musste.

Der heutige Vizekanzler Gabriel meinte zu den Folgen solcher Debatten mal sibyllinisch: „In einer Gesellschaft, in der der Anti-Islamismus und die Abgrenzung von anderen wieder hoffähig wird, in der das Bürgertum Herrn Sarrazin applaudiert, da gibt es natürlich auch an den Rändern der Gesellschaft Verrückte, die sich letztlich legitimiert fühlen, härtere Maßnahmen anzuwenden.“

Auch jetzt lässt das Willy-Brandt-Haus ausrichten, dass ein Rauswurf wegen der strengen Regularien kaum möglich sei. Sarrazin scheint bisher jedenfalls nicht ein neues Zugpferd der AfD werden zu wollen. Am Rande des Abends in Bad Iburg sagt er, er habe Kritiker in der SPD, aber eben auch Fürsprecher: Peer Steinbrück, Klaus von Dohnanyi oder Helmut Schmidt nennt er. Und ergänzt dann süffisant: „Ich empfände es als unsolidarisch, die Partei zu verlassen.“