Die Euro-Kritiker schafften in Sachsen auf Anhieb 9,7 Prozent, weil sie sogar 3000 Grünen-Anhänger für sich gewannen

Dresden/Berlin. Nach der Landtagswahl in Sachsen will die CDU möglichst bald erste Gespräche mit SPD und Grünen führen. Das hat der CDU-Landesvorstand am Montagabend in Dresden einstimmig beschlossen. Es handele sich um „erste Kontakte“, sagte ein Parteisprecher. Nach Vorstellung der CDU könnten die Gespräche zwischen dem Ministerpräsidenten und Landesvorsitzenden Stanislaw Tillich sowie den Vorsitzenden von SPD und Grünen bereits in den nächsten Tagen stattfinden.

Tillich hatte sich zuvor prinzipiell offen für ein Bündnis mit SPD oder Grünen gezeigt. Die SPD will vor einer möglichen schwarz-roten Koalition ihre Mitglieder befragen. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, äußerte sich eher skeptisch über die Chancen eines schwarz-grünen Bündnisses.

Eine Koalition mit der rechtskonservativen AfD, die am Sonntag mit knapp zehn Prozent der Stimmen überraschend stark abgeschnitten hatte, hatte Tillich ausgeschlossen. Doch Frauke Petry, also diejenige, der Tillich einen Korb gab, zuckte nur mit den Schultern. Tillich sei ganz offensichtlich von der CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel zurückgepfiffen worden, sagte die AfD-Landessprecherin. „Im Wahlkampf vermittelte er den Eindruck, dass er sich Gespräche durchaus vorstellen könne. Seine Aussage zu später Stunde am Wahlabend lässt keinen anderen Rückschluss als den einer Zurechtweisung aus Berlin zu.“ Dort hatte Generalsekretär Peter Tauber auf Geheiß seiner Vorsitzenden Merkel die Marschroute ausgegeben: „Es kann aus Sicht der Bundespartei keine Zusammenarbeit mit der AfD geben.“ Sie sei nämlich rückwärtsgewandt und im Kern nichts weiter als eine Protestpartei.

Tillich und seine CDU würden schon sehen, was sie davon hätten, der AfD das Wort zu versagen, meint Petry. Schließlich seien 33.000 ehemalige CDU-Wähler zur AfD abgewandert, die sich von ihrer Partei offensichtlich nicht mehr vertreten fühlten. Zweifellos schmerzt der Verlust von 33.000 Wählern die CDU. Noch stärker aber litten FDP und NPD unter der Anziehungskraft der AfD auch für liberale und nationalkonservative Wähler. Rund 18.000 für den Wiedereinzug in den Landtag bitter nötige Stimmen verlor die FDP an die Alternative. Aus dem Lager der NPD gewann die AfD 16.000 Wähler, von der Linken 15.000, von der SPD 8000 und von den Grünen 3000 Wähler.

Petry überrascht das kaum. Schließlich habe die AfD inhaltliche Überschneidungen mit fast allen Parteien, weshalb sie das Potenzial zur Volkspartei besitze. „In der Bildungspolitik etwa, wo wir Elemente des DDR-Schulsystems wieder beleben möchten, gibt es Gemeinsamkeiten mit den Linken“, sagt sie. Damit meint sie die Einführung berufsnaher Schülerpraktika, ein Vorschlag, der in Sachsen allerdings auch unter CDU-Wählern durchaus Befürworter finde.

Zu den Fragen, die sie im Landtag thematisieren will, zählt auch die Kriminalität. Eines der größten Probleme in Sachsen ist der Drogenschmuggel über die tschechische Grenze. In keiner anderen ostdeutschen Stadt wird mehr Crystal Meth konsumiert als in Leipzig. Darum will die AfD mehr Polizisten einstellen.

Ein weiteres Anliegen der AfD sei mehr direkte Demokratie, auch wenn dies bei den Bürgern gar nicht so beliebt sei. Dazu initiierte die Partei zwei Volksanträge, für die sie derzeit die notwendigen Unterschriften sammelt. Ziel ist es, die Hürden für Volksanträge und Volksentscheide abzusenken. Die Zahl der notwendigen Unterschriften für Volksanträge soll von 40.000 auf 10.000, für Volksentscheide von 450.000 auf 200.000 reduziert werden. Außerdem wolle die AfD den Landtag verkleinern. Das wollte die CDU zwar auch schon mal, hat es aber nicht umgesetzt.

Nach Ansicht von Kanzlerin Merkel waren für den AfD-Wahlerfolg weniger diese Themen verantwortlich, sondern „ein großes Stück Protest“ der Wähler. „Diesen Protest müssen wir dadurch auflösen, dass wir als Union, als CDU die Themen ansprechen und lösen, die die Menschen vor Ort bewegen“, sagte die CDU-Vorsitzende. Umfragen zufolge stimmten 89 Prozent der AfD-Wähler für die Partei, obwohl sie ihrer Ansicht nach keine Probleme löse, allerdings „die Dinge beim Namen“ nenne. Für 75 Prozent sei der Euro das entscheidende Wahlkriterium gewesen.

Neben der Wählerwanderung ist interessant, wer die AfD gewählt hat. Sie hat mit 13 Prozent einen hohen Anteil an Jungwählern im Alter von 18 bis 25 Jahren. Ausgerechnet in der Gruppe der über 60-Jährigen lag ihr Wähleranteil bei nur acht Prozent. In dieser Altersgruppe haben CDU, Linke und SPD mit Abstand die meisten Wähler. Außerdem hatte die AfD mehr weibliche Wähler als die Grünen und die FDP, und sie wurde mit einem Anteil von 15 Prozent häufiger von Arbeitern gewählt als die SPD (elf Prozent).

„Wir sind weder eine Altherrenpartei, noch eine Einthemenpartei“, sagte der brandenburgische AfD-Chef Alexander Gauland. In Brandenburg und in Thüringen wird am 14. September ein neuer Landtag gewählt. Auch in diesen Ländern lehnt die CDU Koalitionsgespräche mit der AfD ab. „Bei uns begründete die CDU dies damit, dass wir für eine Dreikindpolitik eintreten“, sagte Gauland. Es sei ihm unverständlich, wie eine christliche Partei so argumentieren könne. Die AfD vertrete heute viele Positionen, die die CDU in der Nach-Wende-Phase aufgegeben habe, sagte Petry hinzu. „Es ist viel Platz geworden, rechts neben der CDU“, sagte sie. Sollte die CDU am Ende doch zu Gesprächen mit der AfD bereit sein, werde sie sich jedenfalls nicht sperren, kündigte Petry an.