Propaganda, Spenden sammeln oder das Anwerben von Kämpfern für den Islamischen Staat stehen nun unter Strafe

Berlin. Mit sofortiger Wirkung hat Innenminister Thomas de Maizière (CDU) die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Deutschland verboten. Das betrifft alle ihre Aktivitäten. Seit Freitag werden IS-Symbole auf Internetseiten gelöscht. Wer für IS in sozialen Netzwerken wirbt oder auf der Straße demonstriert, Spenden sammelt oder Kämpfer rekrutiert, macht sich strafbar. Verstöße können mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden.In Karlsruhe hat der Generalbundesanwalt zuletzt auch Anklage erhoben. Das Ziel ist es, den IS zu einer terroristischen Vereinigung zu erklären. Darüber darf nur ein Gericht entscheiden.

De Maizière sah sich zum Handeln gezwungen, weil die Organisation ihre Propaganda ausgeweitet hat – mit Erfolg. Die Behörden schätzen die Zahl der Deutschen unter den geschätzt 20.000 bis 50.000 Gotteskriegern in Syrien und Irak auf rund 400. Sie hätten gelernt zu hassen und zu töten, seien gut vernetzt und im Kampf ausgebildet, warnte der Innenminister. Er will zwei Gefahren vorbeugen: dass radikalisierte Islamisten „ihren Dschihad in unsere Städte trage“ und dass Frauen und Männer aus Deutschland gegen Kurden, Jesiden, Christen und Moslems kämpften.

Für die öffentliche Sicherheit sei der IS eine „Bedrohung“, der man entschlossen entgegentreten müsse, so de Maizière. Das Betätigungsverbot sei ein wichtiger Schritt im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. „Hier ist kein Platz für eine terroristische Organisation wie den Islamischen Staat“, sagte der Minister.

Der IS unterhält hierzulande keine festen Strukturen, etwa Büros oder Vereine. So weit soll es erst gar nicht kommen. Das Betätigungsverbot soll „das Entstehen von Strukturen“ verhindern.

Betätigungsverbote wie gegen den IS sind von den Sicherheitsbehörden bisher etwa 1993 gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK sowie die Nationale Befreiungsfront Kurdistans ERNK verhängt worden. Betätigungsverbote werden gegenüber ausländischen Vereinen erlassen, die in Deutschland nicht über gerichtsfest nachweisbare Strukturen verfügen, denen aber eine Betätigung im Inland nachweisbar ist. Ob das Verbot den IS trifft oder nur Symbolpolitik ist, ist eine von vielen Fragen:

Wieso wird IS erst jetzt verboten?

Die Behörden wollten „erst mal eine Weile beobachten, was sich da tut“. Im Klartext: Der Verfassungsschutz machte sich ein Bild von der Szene, bevor der IS abtauchen muss. Zuletzt hatte aber die Werbung, vor allem im Internet, so ein Ausmaß erreicht, dass der Staat handeln musste. Zumal der Minister unter Druck geriet. Warum liefert man Waffen im Kampf gegen den IS im Irak, um die Organisation hierzulande in Ruhe zu lassen? Mit solchen Fragen hatte die Linke dem CDU-Mann zugesetzt. Die Prüfung des Betätigungsverbots zog sich hin. Delikat war die Frage, ob man mit dem Verbot der Fahne der IS die religiösen Gefühle von Muslimen verletzt oder Unruhen provoziert.

Warum?

Auf der schwarzen Flagge ist das Prophetensiegel zu sehen und die erste Sure des Korans zu lesen. Erst als sicher war, dass die Zeichen in dieser Anordnung allein vom IS verwendet werden, fühlte sich de Maizière auf der sicheren Seite. Der Verfassungsschutz ging bei der Prüfung weit zurück – bis 2004.

Wie praxistauglich ist das Verbot?

Es trat am Freitagvormittag in Kraft, kurz vor 12 Uhr, als es im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde. Seither sind soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook sowie andere Netzanbieter angehalten, Seiten mit IS-Symbolen zu löschen. Verfassungsschutz und Polizei unterhalten in Berlin-Treptow ein Internetzentrum. Sie beobachten das Netz mit spezieller Software und gehen ihrerseits auf Anbieter zu, sobald sie verbotene Inhalte entdecken. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Polizei gegen Menschen vorgehen kann, die IS-Symbole zeigen. Syrien-Rückkehrer kann sie künftig an der Grenze festnehmen, wenn sie IS unterstützt haben. Politisch erhofft sich der Minister, dass sich Muslime stärker gegen den Missbrauch ihrer Religion wenden werden.

Wie stark trat der IS in Erscheinung?

Das Innenministerium führte mehrere Videos vor, die vom IS ins Internet gestellt wurden. Darunter waren Hinrichtungsszenen, die offenbar großen Anklang finden. Der Terrormiliz tritt immer professioneller und internationaler auf, auch in deutscher Sprache. Zuletzt hat sie auch ein eigenes Magazin veröffentlicht.

Stachelt das Verbot den IS auf?

Es kann sein, dass sich die Sicherheitslage verschärft. Nur: Der Minister musste aber einschreiten. Der IS war zur Bedrohung für die öffentliche Sicherheit geworden. Hinzu kam, dass der IS eine steigende Zahl von Dschihadisten in Deutschland angeworben hat, mindestens 400. Die Radikalisierung erfolgt zumeist über die Salafisten-Szene. Viele Islamisten kehrten inzwischen aus Syrien zurück, viele frustriert, andere nunmehr als erfahrene Kämpfer. „Wir wissen nicht, was sie tun. Es könnte aber sein, dass sie hier Anschläge verüben“, befürchtet de Maizière. Das Problem ist immer die Beweislage. Möglicherweise wird es noch schwerer, wenn sich jetzt keiner mehr im Netz zu Straftaten bekennt...

Wie sind die Reaktionen?

In Berlin war das Echo überwiegend positiv. Und die Länder waren sowieso eingebunden. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD), lobte, „es ist wichtig, dass wir diesen Verfassungsfeinden signalisieren: Bis hierher und nicht weiter!“ Er warnte aber davor, allein auf Repression zu setzen.