IS-Verbot in Deutschland ist richtig. Der Kampf gegen Islamisten hört damit aber nicht auf

Neulich saß ich mit Eltern von Jugendlichen in einem Café im Hamburger Osten zusammen. Die meisten von ihnen sind vor vielen Jahren aus der Türkei nach Hamburg gekommen, für eine gute Arbeit, für ein besseres Leben. Viele von ihnen sind Muslime. Eine Frau erzählt mir von Cliquen junger Männer in ihrer Nachbarschaft, die Jugendliche ansprechen und manche mit Geschenken wie ein neues Handy in ihre Gruppen locken. Und man höre aus der Nachbarschaft oder anderen Stadtteilen, dass einige wenige dieser Jugendlichen – radikalisiert in ihrem Glauben an Gott – in Syrien und im Irak an der Seite von Terroristen des sogenannten Islamischen Staates (IS) kämpfen. Und dort auch sterben. Dann sagt eine Mutter einen entscheidenden Satz: „Es geht nicht mehr nur um die brutalen Bilder im Fernsehen, es geht um unsere Kinder – es geht um uns alle hier.“

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat die Organisation IS nun in Deutschland verboten. Verboten ist die vor allem im Internet betriebene Anwerbung von Kämpfern, die Beteiligung an Demonstrationen sowie die Verwendung von IS-Symbolen. Die Bundesrepublik liefert nicht nur Waffen an die gegen IS kämpfenden Kurden. Die schwarz-rote Regierung in Berlin erkennt an, dass die Islamisten der IS auch bei uns bekämpft werden müssen.

Die scharfe Kritik und das schnelle Vorgehen von Polizei und Justiz in Wuppertal, als radikale junge Männer mit „Shariah Police“-Westen durch die Stadt zogen, haben die selbst ernannten „Scharia-Polizisten“ schnell wieder verschwinden lassen. Zumindest von den Straßen. Aus ihren Köpfen ist die Radikalität sicher nicht verschwunden. Ein Verbot des IS in Deutschland bleibt nichts als Symbolpolitik, wenn es nicht durch Geld für Präventionsprogramme gestützt wird. Fehlt Geld für Sozialprojekte in den Stadtteilen, überlässt der Staat die Straße den Radikalen. Seit fast einem Jahr arbeiten die Hamburger Behörden an einem Präventionsnetzwerk, das Jugendliche beraten soll, bevor sie Islamisten in die Hände fallen. Und das Eltern helfen soll, wenn sich ihr Kind einer islamistischen Gruppe angeschlossen hat. Noch immer konnte die Stadt kein Ergebnis präsentieren.

Es geht um uns alle hier. Dieser Satz einer Mutter im Osten der Stadt geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Und deshalb reicht es nicht, wenn die Menschen in Deutschland im Kampf gegen IS und andere religiöse Fanatiker nach Rechtsstaat und Geld rufen. Was ich mir von den Muslimen in Deutschland wünsche? Dass sie auf die Straße gehen und gegen die Barbarei des IS demonstrieren. Und zwar nicht nur ein paar Hundert wie bisher, sondern viele, Alewiten und Sunniten gemeinsam. In der kommenden Woche soll es eine erste große bundesweite Demonstration in Berlin geben. Es hat lange gedauert. Ich erwarte, dass sich Muslime und ihre Verbände konsequent von Islamisten distanzieren – und es nicht bei einer Pressemitteilung belassen. Ich erhoffe mir von den Moscheen und ihren Imamen, dass sie helfen, radikale Jugendliche wieder in die Gemeinschaft zu integrieren.

Was ich mir von Nichtmuslimen wünsche? Dass sie dem IS-Terror im Irak und den Radikalen in Deutschland nicht mit Islamfeindlichkeit begegnen. In Deutschland brennen Moscheen – berichtet wird darüber kaum. Von 2012 bis März 2014 wurden 78 Anschläge verübt. Wer jetzt Muslime ausgrenzt, hilft nur den Extremisten, die mit einfachen Parolen stigmatisierte Jugendliche um sich sammeln. Ich wünsche mir von Nichtmuslimen, dass sie Muslimen auch mit ihren Ängsten in den Stadtteilen zuhören. Und dass sie sich zusammenschließen – nicht gegen den Islam, sondern an der Seite der Muslime gegen die Radikalen. Auch deutsche Konvertiten ziehen in den „Heiligen Krieg“ an der Seite der Terroristen. Es geht uns alle etwas an.