Nato-Partner bestellt nach Enthüllung über Ausspähung durch BND Botschafter ein. Bundesregierung reagiert gelassen

Istanbul/Berlin. Die Türkei fordert von ihrem Nato-Verbündeten Deutschland umfassende Aufklärung über die Spionagetätigkeit des BND. Die Regierung in Ankara teilte dem deutschen Botschafter Eberhard Pohl am Montag offiziell ihre Besorgnis über die berichtete Ausspähung durch den Bundesnachrichtendienst (BND) mit. Zu den inhaltlichen Punkten in den deutschen Medienberichten, wonach die Türkei ein besonderes Sicherheitsrisiko darstelle, bezog Ankara nicht Stellung.

„Wenn uns die Partner Fragen stellen, dann geben wir ihnen Antworten“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. Der Bundesregierung zufolge wurde Pohl in Ankara lediglich um ein Gespräch gebeten. Das Gespräch sei in einer freundlichen Atmosphäre verlaufen. Im türkischen Außenministerium hieß es dagegen, der deutsche Vertreter sei „einbestellt“ worden – ein solches schärferes Signal wäre unter Verbündeten ungewöhnlich. Ein Mitarbeiter des türkischen Außenministeriums sagte, das Gespräch mit Pohl habe Staatssekretär Erdogan Iscan geführt.

„Der Spiegel“ und andere Medien hatten außerdem berichtet, dass der BND bei seiner Spionage im Nahen Osten als „Beifang“ Telefonate von US-Außenminister John Kerry und seiner Vorgängerin Hillary Clinton aufgezeichnet habe. In einem Fall sei ein Gespräch Clintons nicht sofort gelöscht worden. Offiziell bestätigte die Bundesregierung die Medienberichte nicht, dementierte aber auch nicht. Eine Regierungssprecherin verwies darauf, über die beschriebenen „Sachverhalte“ werde im dafür zuständige Parlamentarischen Kontrollgremium berichtet. Über einen Teil davon sei das Bundestagsgremium schon im Juli informiert werden, über den Rest werde es zeitnah unterrichtet. Was die Regierung den Geheimdienstkontrolleuren mitteilt, liegt großteils in ihrem eigenen Ermessen. Sie ist gesetzlich nur gehalten, dort „Vorgänge von besonderer Bedeutung“ mitzuteilen.

Die Spionageaffäre kommt für die Bundesregierung zur Unzeit. Sie hatte tief verärgert auf die vom Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden aufgedeckten US-Geheimdienstaktivitäten in Deutschland reagiert. Im Herbst 2013 hatte Kanzlerin Angela Merkel betont: „Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht“. Nachfragen von Journalisten, ob die Türkei als ein solcher Freund betrachtet werde, wich eine Regierungssprecherin aus. Sie sagte nur, es gebe zahlreiche Kontakte mit der Türkei, mit der sich die Bundesregierung in vielen Fragen abstimme. Das damalige Zitat Merkels habe sich eindeutig auf die USA bezogen, betonte sie. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte, es sei nicht überraschend, dass die Türkei nach den Medienberichten um Aufklärung bitte: „Es ist doch völlig klar, dass wir mit dem Partner Türkei in dieser wie in vielen anderen Fragen im Kontakt bleiben und auch Antworten geben.“

Zu den angeblich abgehörten Telefonaten der US-Außenminister sagte die Regierungssprecherin, es könne technisch nicht ausgeschlossen werden, dass der BND auch andere Kommunikation erfasse, als er beabsichtige.

Deutschland ist der größte Handelspartner der Türkei in der EU und beheimatet rund drei Millionen Türken. Dass die Türkei ausspioniert wird, stößt quer durch die Parteien auf Zustimmung. Der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl sagte dem Bayerischen Rundfunk, die Türkei sei ein wichtiger Nato-Partner, aber auch ein „hochproblematisches Transitland“ im Bereich des Drogen- und Menschenhandels. „All diese Bereiche müssen vom Bundesnachrichtendienst überwacht und ausgeforscht werden, um der Regierung ein kluges, vernünftiges Handeln zu ermöglichen.“ Der Obmann der Union im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages, Roderich Kiesewetter (CDU), sagte dem „Handelsblatt“: „Der BND leistet notwendige Aufklärungsarbeit in einem Land, das seine Position zwischen Orient und EU noch finden muss.“

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte, sollte sich herausstellen, dass der BND vor dem Hintergrund der deutschen Truppen-Stationierung an der türkisch-syrischen Grenze, der Kriegsgefahr und terroristischer Aktivitäten tätig gewesen sei, fände sie die nachvollziehbar.

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin mahnte in der Debatte über die Arbeit der Auslandsgeheimdienste „weniger Wehleidigkeit“ an. Der „Berliner Zeitung“ sagte er, die Sicherheit Deutschlands sei durch die Vorgänge im syrischen Grenzgebiet direkt betroffen. Dass ein Nachrichtendienst dort Erkenntnisse sammele, könne man ihm nicht vorwerfen: „Das ist seine Aufgabe.“ Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sagte, die bisher nur aus den Medien bekannten BND-Aktionen seien nicht zu vergleichen mit der millionenfache NSA-Spionage. Es sei aber völlig unverständlich, warum die Öffentlichkeit erst aus den Medien von den Aktivitäten gegen Clinton und Kerry erfahre. Der Bundestag müsse zudem über das Fehlverhalten des BND sofort unterrichtet werden und nicht Jahre später über die Presse.

Zudem gibt es durchaus Gefahren für beide Staaten, die diese zusammen lösen könnten. Etwa das Problem militanter Deutschtürken, die über die Türkei nach Syrien und in den Irak gehen, um dort zu kämpfen, und dann über die Türkei nach Deutschland zurückkehren. Oder die Aktivitäten der kurdischen PKK-Rebellen, die offenbar einen erheblichen Teil ihrer Geldmittel in Deutschland beschaffen.