Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer kostet seinen Triumph bei der Landtagswahl aus und erneuert nach dem Gewinn der absoluten Mehrheit die Forderungen an die Kanzlerin.

München/Berlin. Die CSU kann in Bayern wieder alleine regieren. Eine Woche vor der Bundestagswahl gewann die Partei von Ministerpräsident Horst Seehofer bei der Landtagswahl am Sonntag die absolute Mehrheit zurück. Eine herbe Niederlage musste die FDP hinnehmen, die in den vergangenen fünf Jahren Koalitionspartner der CSU im bayerischen Landtag war: Sie scheiterte deutlich an der Fünfprozenthürde und wird im neuen Landesparlament nicht mehr vertreten sein. Die SPD unter ihrem Spitzenkandidaten Christian Ude konnte leicht zulegen, die Grünen büßten Wählerstimmen ein und liegen mit den Freien Wählern gleichauf.

„Das ist ein großartiger Wahlerfolg“, sagte Seehofer vor jubelnden Anhängern in München. „Wir sind wieder da.“ Der Regierungschef versicherte, die CSU werde auch nach dem Gewinn der absoluten Mehrheit im Landtag auf dem Teppich bleiben. Der Erfolg werde der Partei „nicht in die Köpfe steigen“, sagte er in der ARD. Er setze auf eine konstruktive Mitarbeit der Opposition im Landtag. Vom Wählervotum gestärkt, erneuerte der alte und künftige Ministerpräsident Forderungen an die Bundespolitik. Seehofer verlangte zum wiederholten Male eine bundesweite Pkw-Maut für Ausländer. „Die Maut bleibt auf der Tagesordnung, und wir werden sie in einer neuen Bundesregierung auch durchsetzen“, sagte er im Bayerischen Fernsehen. Seehofer hatte die Einführung einer Pkw-Maut für Ausländer mehrfach zur Bedingung für eine CSU-Regierungsbeteiligung in Berlin erklärt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte dagegen deutlich gemacht, dass es mit ihr eine Pkw-Maut nicht geben werde.

Merkel gratulierte Seehofer am Telefon. Mit einer Glückwunsch-SMS der Kanzlerin hätte er sich auch nicht zufriedengegeben, betonte der CSU-Chef im Bayerischen Fernsehen. In diesem historischen Augenblick wäre dies zu wenig gewesen.

Seehofers Herausforderer Christian Ude räumte die Niederlage ein, betonte aber, die SPD habe Stimmen hinzugewinnen können und „eine Trendwende“ geschafft. „Es geht wieder aufwärts mit der SPD in Bayern.“ Linke und Piraten verpassten den Einzug in den Landtag. Die euroskeptische Alternative für Deutschland (AfD) war bei der Landtagswahl nicht angetreten. Mit Blick auf die Bundestagswahl sehen sich beide Lager durch das Ergebnis der Bayernwahl gestärkt. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer, sagte im ZDF: „Das bringt für uns den notwendigen Schwung, für die letzte Woche noch mal alles zu geben.“ Die FDP habe in Bayern traditionell Probleme. „Deshalb ist dieses Ergebnis für die FDP Motivation, ihre Stammwähler zu aktivieren.“ Zu einer möglichen Unterstützung der Union für die FDP mit Blick auf die Zweitstimme machte er aber klar: „Wir kämpfen für unsere Kanzlerin.“

Rösler propagiert „Weckruf“

FDP-Chef Philipp Rösler nannte das Ergebnis einen „Weckruf“ für seine Partei. Das Ergebnis sei eine schwere Niederlage, räumte der Vizekanzler vor Anhängern in Berlin ein. Nun gehe es darum, alle Kräfte zu mobilisieren. Auf der Wahlparty der Bundes-FDP im Berliner Thomas-Dehler-Haus war die Enttäuschung über das katastrophale Ergebnis in Bayern deutlich spürbar. Hinter vorgehaltener Hand versuchen Spitzenliberale aber, der Klatsche Positives abzugewinnen. „Das könnte einen Mobilisierungseffekt geben“, sagte ein Vorstandsmitglied. Oder einen Mitleidseffekt? Jedenfalls hoffen viele Liberale jetzt darauf, dass die Pleite in Bayern die bürgerlich-konservativen Wähler aufschreckt. Gerade die Unionsanhänger, so das Kalkül, könnten am kommenden Sonntag ihre Zweitstimme nun doch der FDP geben, um den Fortbestand von Schwarz-Gelb im Bund zu sichern.

Wie Grosse-Brömer schloss Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) eine Zweitstimmenkampagne der Union für die FDP vor der Bundestagswahl aus. „Wir haben mit ihnen gut regiert, sowohl im Bund als auch in Bayern, sie muss aber für ihre Stimmen auch immer selbst kämpfen“, sagte die CSU-Politikerin im ZDF über die FDP.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sieht im Ergebnis ihrer Partei ein positives Signal für die Bundestagswahl in einer Woche. Die SPD sei die einzige Oppositionspartei, die dazugewonnen habe, sagte Nahles in der ARD. Zudem habe die Partei deutlich besser abgeschnitten als vorausgesagt. „Das ist für uns, für die bayerischen Verhältnisse gesehen, ein gutes Ergebnis.“ SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht in dem Wahlergebnis ein deutliches Signal der Wähler an die FDP. „Sie haben die Parolen, die Wahllügen der FDP durchschaut und sie aus dem Bayerischen Landtag geworfen“, sagte er.

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth räumte ein: „Wir haben uns mehr erwartet.“ Sie deutete an, dass die Partei bislang womöglich die falschen Themen in den Vordergrund rückte: „Wir haben natürlich über die Energiewende geredet“, sagte sie, fügte aber hinzu: „Und vielleicht müssen wir das mit Blick auf die Landtagswahl in Hessen und die Bundestagswahl auch noch stärker tun.“ Im Bund liefern sich beide politischen Lager nach jüngsten Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Im ZDF-Politbarometer kommen Union und FDP zusammen auf 46 Prozent; SPD, Grüne und Linkspartei liegen bei 45 Prozent. Die Piraten und die eurokritische AfD kämen zwar nicht in den Bundestag, könnten den anderen Parteien aber wertvolle Stimmen abjagen.

Beckstein: Seehofer hat alle kritischen Themen angepackt

Der Erfolg Seehofers ist nach Einschätzung seines Parteifreundes Günther Beckstein auch dessen konsequentem Politikstil zu verdanken. „Seehofer hatte praktisch alle Themen in Bayern angepackt, die schwierig und riskant waren und hat sie in Ruhe abgearbeitet“, sagte Beckstein am Montagmorgen.

Als Beispiel nannte er den Donauausbau, die geplante Abschaffung der Studiengebühren und die Beendigung von Stoibers Sparpolitik. Allerdings habe Seehofer Bayern auch in einer Phase regiert, in der es dem Land so gut gehe, dass die Regierung wieder mehr Geld habe ausgeben und trotzdem Schulden habe abbauen können.

Beckstein, der nach dem schlechten Abschneiden der CSU bei der Landtagswahl im Jahr 2008 auf das Ministerpräsidentenamt verzichtet hatte, räumte ein, dass in die CSU-Niederlage im Jahr 2008 eiskalt erwischt haben – „wie ein Blitz aus heiterem Himmel“. Seehofer sei es seitdem gelungen, die CSU wieder hinter sich bringen. Allerdings habe er dafür fünf Jahre Zeit gehabt, „ich selbst nur elf Monate“, gab Beckstein zu bedenken.

Für schwer kalkulierbar hält Beckstein den Einfluss der Bayernwahl auf die Bundestagswahl. In seinen Augen gibt es zwei denkbare Szenarien: Bei dem einen sei davon auszugehen, dass viele FDP-Wähler eine andere Partei wählen, weil sie ein Scheitern der Liberalen an der Fünf-Prozent-Hürde befürchten. „Es ist aber auch denkbar, dass die FDP von einer Art Mitleidseffekt profitiert – auch um ein rot-rot-grünes Bündnis auf Bundesebene zu verhindern“, sagte Beckstein.

Vorläufiges amtliches Endergebnis

CSU 47,7 Prozent (2008: 43,4 Prozent; + 4,3), 101 Sitze

SPD 20,6 Prozent (2008: 18,6 Prozent; + 2,0), 42 Sitze

Freie Wähler 9,0 Prozent (2008: 10,2 Prozent; - 1,2) 19 Sitze

Grüne 8,6 Prozent (2008: 9,4) (- 0,8) 18 Sitze

FDP 3,3 Prozent (2008: 8,0 Prozent; - 4,7)

Die Linke 2,1 Prozent (2008: 4,4 Prozent; - 2,3)

ÖDP 2,0 Prozent (2008: 2,0 Prozent; 0,0)

Piraten 2,0 Prozent (----) (-----)