Schröder und Schäuble halten keine der 156 Leistungen für überflüssig. Die Union will das Kindergeld um 35 Euro monatlich erhöhen und den Kinderfreibetrag auf das Niveau von Erwachsenen anheben.

Berlin. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder stieß in den vergangenen Jahren häufig auf taube Ohren, wenn sie ihren Kabinettskollegen Wolfgang Schäuble (beide CDU) um mehr Geld anging. Der Finanzminister lehnte nicht nur den Ausbau der Vätermonate beim Elterngeld ab. Er verlangte sogar Kürzungen bei dieser Familienleistung. Und so strich die Ministerin Hartz-IV-Empfängern und Spitzenverdienern das Elterngeld. Jetzt aber, drei Monate vor der Bundestagswahl, kann die CDU-Politikerin freudestrahlend ein Milliarden-Geschenk für Familien präsentieren: Die Union will das Kindergeld um 35 Euro monatlich erhöhen und den Kinderfreibetrag auf das Niveau von Erwachsenen anheben. Kosten: rund 6,5 Milliarden Euro.

Nicht nur der politische Gegner sieht die Union mit dieser Ankündigung auf dem falschen Weg. Auch der CDU-Wirtschaftsrat fordert ein Umdenken. Nicht mehr Geld, sondern eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei das Gebot der Stunde, mahnt die parteinahe Wirtschaftsvereinigung. SPD-Vize Manuela Schwesig haut in die gleiche Kerbe. Gebraucht werde eine Familienpolitik, die alle Kinder unterstütze, egal, in welcher Familie sie leben. „Das geht am besten mit Ganztagskitas und Ganztagsschulen.“ Die von der Regierung jetzt vorgelegte Analyse aller familienpolitischen Leistungen zeige, dass Deutschland eine schlechte Familienpolitik habe, monierte die Sozialdemokratin. Ungeachtet solcher Kritik wollen Schröder und Schäuble an ihrem Kurs festhalten. Die Evaluierung aller 156 familienpolitischen Maßnahmen zeige, dass „wir in Deutschland auf dem richtigen Weg sind“, sagte die Familienministerin. Es gebe eine Vielfalt von monetären und Infrastrukturleistungen, die der Vielfalt der Familien entspreche. „Denn wir verzichten bewusst auf die Anmaßung, den Familien vorschreiben zu wollen, wie sie zu leben haben.“ Die derzeitige Mischung aus Leistungen, die allen Eltern zugutekomme, wie etwa dem Kindergeld, und solchen Leistungen, die gezielt bestimmte Gruppen nutzten, wie der Kinderzuschlag für Geringverdiener, hätten sich bewährt.

Gemessen an den fünf Zielen der Bundesregierung sei die Bilanz der Familienpolitik positiv. Neben der Wahlfreiheit gehe es der Regierung um das Wohlbefinden der Kinder sowie um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch die wirtschaftliche Stabilisierung von Familien sowie die Erfüllung von Kinderwünschen seien Zielsetzungen der Familienpolitik. Die Ministerin räumte ein, dass trotz erheblicher Förderung die Geburtenrate weiterhin niedrig sei. Zwar gebe es seit einigen Jahren insbesondere bei Akademikerinnen einen leicht positiven Trend nach oben. „Doch als Soziologin bin ich skeptisch, dass sich der Kinderwunsch durch politische Maßnahmen beeinflussen lässt“, meinte die Politikerin. Sie selbst habe deshalb beim Elterngeld auch nie eine bevölkerungspolitische Zielsetzung vorgegeben. „Das Elterngeld ist keine Art Gebärprämie“, betonte sie. Ein Blick in andere Länder zeige zudem, dass eine hohe Geburtenrate mit ganz unterschiedlicher Familienpolitik erreicht werden könne. So habe Frankreich ein gut ausgebautes Betreuungsangebot. Schweden verfüge über familienfreundliche Arbeitszeiten. Die USA könnten eine hohe Geburtenrate vorweisen, obwohl sie kaum Familienförderung betrieben.

Schröder wies darauf hin, dass mit Ausnahme der Geburtenrate sich bei allen anderen Zielen zeige, dass die Familienleistungen insgesamt effektiv seien. So werde beispielsweise verhindert, dass Paare, die Kinder bekämen, finanziell deutlich schlechter dastünden, als kinderlose Paare mit gleichem Einkommen. Die wissenschaftliche Prüfung der Wirkung der Leistungen hat laut Schröder überdies bestätigt, dass Alleinerziehende ebenso stark staatlich unterstützt werden wie Paare mit Kindern. Zwar sei die steuerliche Entlastung von Eheleuten besonders groß. Einelternfamilien aber profitierten stärker von anderen Leistungen wie dem Kinderzuschlag, der bei niedrigen Einkommen gewährt wird.

Neben der finanziellen Förderung setzt die Regierung auch auf den weiteren Ausbau der Kinderbetreuung. Für eine Verbesserung der Qualität werde der Bund künftig 845 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Schröder verwies darauf, dass die Länder für den Kita-Ausbau und die Betreuungsqualität verantwortlich seien. Rund 200 Milliarden Euro wendet der Staat jährlich für ehe- und familienbezogene Leistungen auf. Allerdings entfalle ein Großteil der Leistungen auf steuerliche Regelung, die verfassungsrechtlich geschützt seien, sagte Schröder. Dies gelte für das Ehegattensplitting oder den Kinderfreibetrag und das Kindergeld. Lediglich 55 Milliarden Euro seien politisch überhaupt beeinflussbar.

Opposition, Gewerkschaften und Sozialverbände warfen der Union vor, mit ihren Plänen für einen höheren Kinderfreibetrag die Familien mit niedrigem Einkommen zu benachteiligen. SPD, Linke und Grüne wollen gut situierte Eltern hingegen stärker zur Kasse bitten. Ihre Wahlprogramme sehen zum einen die Kürzung des Kinderfreibetrags vor. Zum anderen soll das Ehegattensplitting stark abgeschmolzen werden. Die SPD wirbt damit, sämtliche Elternbeiträge für Kindergärten und Krippen abschaffen zu wollen. Auch soll das Kindergeld für Familien mit niedrigen Einkommen drastisch angehoben werden.

Mit der Ankündigung der Union, das Kindergeld und den Freibetrag anzuheben und damit eine Art Familiensplitting einzuführen, stehen somit bei der Bundestagswahl sehr unterschiedliche Konzepte zur Abstimmung. Während die Union den Eltern mehr von ihrem selbst verdienten Geld belassen will, setzt die Opposition auf eine Umverteilung zwischen den Familien.