Die Zahl von 156 familienpolitischen Leistungen vermittelt einen falschen Eindruck

Viele Familien mit Kindern kennen das: Ihr Haushaltseinkommen – ob von einem oder zwei Verdienern – reicht so gerade, um die regelmäßigen Ausgaben bezahlen zu können. Kinder kosten, und die Statistik rechnet uns regelmäßig vor, dass mit jedem Kind sogar das Risiko steigt, in unserem Wohlstandsland als arm eingestuft zu werden. Vielen dieser Familien kommt der Hinweis auf „156 familienpolitische Leistungen des Bundes", Donnerstag präsentiert von der Bundesregierung, wie Hohn oder ein schlechter Witz vor. Denn die bloße Zahl dieser angeblichen Wohltaten sagt mehr über das dahinter stehende bürokratische Monster aus als darüber, ob und wie in Deutschland Familien vom Staat gefördert werden.

Das klingt jetzt vielleicht etwas sehr pessimistisch und unbarmherzig. Aber wenn Regierungspolitiker wie Familienministerin Kristina Schröder oder Finanzminister Wolfgang Schäuble ankündigen, das System von Kindergeld, Steuersplitting und -freibeträgen „weiterzuentwickeln“, ist zunächst einmal Vorsicht geboten.

Denn seit einer Generation gibt es vor allem ein erkennbares Prinzip, übrigens über alle Parteigrenzen hinweg: Die direkt bei den Familien ankommenden Leistungen sind stark gesunken – zum Beispiel weil beim Kindergeld nicht mal ein Inflationsausgleich eingebaut ist. Andere wurden komplett gestrichen wie die staatlichen Zuschüsse für Familien, die sich für ein Eigenheim entscheiden. Oder sie lösen wie das geplante Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder nicht in einer staatlich geförderten Einrichtung unterbringen, gleich eine ideologische Grundsatzdebatte aus, ob das Geld dafür nicht besser in neue Kitas gesteckt werden soll. Hier werden also die einen Eltern gegen die anderen ausgespielt.

Denn es ist ja am einfachsten, der einen Elterngruppe etwas zu geben, indem man es anderen Eltern wegnimmt oder vorenthält.

Nach diesem Muster gab es in der Vergangenheit schon Kindergelderhöhungen für das erste Kind, die finanziert wurden, indem man Eltern von studierenden Kindern ihre bis dato zugestandenen bescheidenen Steuerfreibeträge gestrichen hat. Weil eine solche Veränderung zeitlich versetzt erst mit der Steuererklärung wirksam wurde – deren Details sowieso kaum ein Normalbürger durchschaut –, war gleich auch der Unmut darüber in Grenzen gehalten.

Selbst die Unionsparteien haben bei ihrer Familienpolitik längst das Ziel aus den Augen verloren. Es geht nicht mehr darum, allen, die Verantwortung für Kinder tragen, möglichst viel von ihrem eigenen Verdienst zu belassen, sondern im Mittelpunkt stehen von der Politik angeblich großzügig verteilte Gaben.

Nur so ist die Präsentation des Maßnahmenkatalogs sogenannter familienpolitischer Leistungen überhaupt zu verstehen. Wenn Ministerin Schröder aber schon die umstrittene Summe von insgesamt jährlich 200 Milliarden Euro nennt, müsste sie gerechterweise eigentlich gegenrechnen, wie viele dieser Milliarden die Familien aus bezahlten Abgaben und Steuern am Ende selbst dazu beigetragen haben.

Die von der Ministerin in dem Zusammenhang in Aussicht gestellte Erhöhung des Kindergeldes, ohne eine konkrete Summe oder einen Termin zu nennen, klingt nur noch nach Wahlkampfgeklingel. Woher sollen die Wohltaten am Ende auch kommen?

Wenn familienpolitische Leistungen nur aus neuen Schulden bezahlt werden können, weil schon die alten Ausgaben des Staates deutlich höher als seine (Rekord-)Einnahmen sind, zahlen am Ende genau jene, denen man vorgibt, ihnen jetzt Gutes tun zu wollen: die kommenden Generationen, die irgendwann auch für die Schulden, die wir heute machen, geradestehen müssen.

Der Autor verantwortet die Meinungs- und die Themaseite des Abendblatts