Die Debatte über die Frauenquote bedroht die Koalition. Bis zum Zählappell am Dienstag soll der Fraktionschef Unions-Abweichler auf Linie bringen.

Berlin. In den Dingen, die in den nächsten Tagen auf ihn zukommen, hat Unionsfraktionschef Volker Kauder schon reichlich Erfahrung. Und die dürfte ihn gelehrt haben, dass es mit Drohungen allein nicht gehen wird. Am heutigen Montag trifft Kauder jene Frauen in der Fraktion, die sich um die Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker geschart haben und erwägen, am Donnerstag für die Einführung einer festen gesetzlichen Frauenquote zu stimmen. Am Dienstag trifft sich dann die ganze Fraktion. Es wird eine Probeabstimmung geben, die noch einmal offenlegen dürfte, wie hoch die Zahl derjenigen ist, die Ja sagen wollen; wohlgemerkt Ja zu einem Antrag Hamburgs, der den Gesetzentwurf aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses des Bundesrates dem Bundestag zur Abstimmung vorlegt. Bis 2018 sollen mindestens 20 Prozent aller Aufsichtsräte börsennotierter deutscher Unternehmen mit Frauen besetzt werden.

Kauder muss verhindern, dass zu viele Abgeordnete der Union ausscheren und für die Quote und damit gegen den Partner FDP stimmen. Die Liberalen lehnen eine Quote strikt ab. Es droht nichts weniger als der Bruch der Koalition. Die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Miriam Gruß, sagte: „Wir befinden uns in einer der größten europäischen Krisen. Bisher haben wir als Koalition das Land hervorragend durch diese Krise gesteuert. Wir sollten vernünftig sein und die Regierungsarbeit fortsetzen.“ Heißt: Stimmen zu viele Unionsabgeordnete mit der Opposition, ist die Koalition beendet. 21 Umfaller reichen. „Es geht nicht, dass wir mit wechselnden Mehrheiten arbeiten“, sagt Gruß. Die Frauen müssten sich an die Regeln halten, nicht einem Antrag der Opposition zuzustimmen. Ähnlich äußerte sich CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt in der „Welt am Sonntag“: „Ich setze auf die Klugheit unserer Frauen, sich nicht auf durchsichtige Manöver der Opposition einzulassen.“

Vor mehr als einem Jahr hatte es bereits einmal eine verwandte Situation gegeben. Damals ging es um das Betreuungsgeld. Das lehnte eine beträchtliche Zahl an weiblichen Abgeordneten ab. Die Koalitionsmehrheit war in Gefahr. In einer Fraktionssitzung maßregelte Kauder damals einige Frauen scharf. Tränen sollen geflossen sein. Kauder erreichte nichts. Schlimmer noch: Danach organisierte sich erst recht der Widerstand, und die Koalition bot ein Schauspiel, bei dem sich Gegner und Befürworter des Betreuungsgeldes Scharmützel lieferten.

Schließlich aber kam das Betreuungsgeld, die Frauenquote ist auch eine Revanche der Enttäuschten. Die CSU-Politikerin Dagmar Wöhrl findet es unangemessen, hier einen Zusammenhang herzustellen. Für sie zählt der Koalitionsvertrag. Und in dem sei zwar vom Betreuungsgeld die Rede, nicht aber von einer festen Quote. „Man muss sich schon daran halten, was im Koalitionsvertrag steht“, sagte Wöhrl. Eine starre Quote erachtet sie als kontraproduktiv. „Die Unternehmen werden durch die demografische Entwicklung ohnehin gezwungen, mehr Frauen zu fördern.“

Die sich immer wieder artikulierende unionsinterne Opposition hat Vorbilder. Es ist nicht ohne Ironie, dass über die Hilfen für das marode Euro-Land Zypern ebenfalls am Donnerstag im Bundestag abgestimmt werden soll. Politiker wie Wolfgang Bosbach (CDU) haben ihr Nein zu den Rettungsmaßnahmen bereits angekündigt. Kaum einer nimmt ihm das noch übel, es ist eher Ausweis einer Geradlinigkeit, die geachtet wird.

Doch wenn es bei einem „großen Thema“ wie dem Euro die abweichende Meinung geben darf, wie will man sie dann bei den „kleinen Themen“ verbieten? Der Rang der eigenen Meinung ist in dieser Legislaturperiode gewachsen, ob nun bei großen oder eben kleinen gesellschaftspolitischen Fragen. Es sind Symbolthemen, die aus Sicht einiger für Vergangenheit oder Zukunft der Union stehen. Den Abweichlern geht es wirklich um die Sache, keiner von ihnen sucht regelmäßig die Öffentlichkeit, anders als die Euro-Rettungskritiker meiden sie Talkshows oder Interviews.

Außer Ursula von der Leyen. Die Arbeitsministerin favorisiert seit Langem die gesetzliche Quote. Nun soll sie erneut auf der Seite der Befürworter stehen. Nach Informationen der „Bild“-Zeitung will Bundeskanzlerin Angela Merkel deshalb am Montagmorgen in einem Gespräch versuchen, die Ministerin von einem Ja zum Quoten-Antrag des Bundesrates abzuhalten. Im Gegensatz zu den Quoten-Befürwortern in der Union taktiert von der Leyen allerdings in erster Linie. Schier unvorstellbar, dass die Ministerin gegen die Regierung stimmt, der sie angehört. Aber es kommt ihr mindestens zupass, dass man ihr das zutraut.

Die Mission des Fraktionschefs Kauder für die kommenden vier Tage ist also höchst diffizil. Er muss Befindlichkeiten berücksichtigen und wirkliche Anliegen ernst nehmen. Versprechen kann er den Frauen als Ausgleich für eine Ablehnung des Antrags jedenfalls kaum noch etwas. Die Legislatur endet bald. Möglicherweise schon an diesem Donnerstag.