Umweltminister Altmaiers Vorschlag für ein Standortsuchgesetz halten nicht alle für das Ende des Gorlebener Salzstocks.

Hannover/Berlin. Wenn der Bundestag wie geplant noch vor der Sommerpause ein Standortsuchgesetz verabschiedet, wird vordergründig Ruhe einkehren im Wendland. Die bislang nur bis zur Bundestagswahl im September gestoppte Erkundung des Gorlebener Salzstocks auf Eignung als atomares Endlager wird um Jahre verlängert, es sollen auch keine Castortransporte mehr rollen ins Zwischenlager. Während aber der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Montag die Verständigung mit Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) als Durchbruch feierte, blieb die örtliche Bürgerinitiative misstrauisch. Für sie ist der neue Konsens "eine Mogelpackung". Und selbst bei den Grünen gibt es Zweifler, ob die Einigung zum Abschied von Gorleben führt.

Dass sich nun eine neue Bund-Länder-Enquetekommission noch einmal grundsätzlich mit den zentralen Fragen der Endlagerung von hochradioaktivem Müll befasst, dafür gibt es Beifall von allen Seiten, auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Ihr Sprecher sagte, die Regierungschefin habe die Hoffnung, "diesen wirklich bitteren jahrzehntelangen Streit ad acta zu legen und zu gemeinsamen Lösungen zu kommen". Aus Sicht der niedersächsischen rot-grünen Landesregierung besonders wichtig: Das Expertengremium ist unabhängig, soll transparent arbeiten und vor allem auch Alternativen prüfen zu Salz als bislang favorisiertem Wirtsgestein für ein Endlager.

Bis Ende 2015 soll die Kommission ihren Bericht fertig haben, erhofft wird eine Empfehlung für das weitere Vorgehen bei der Endlagerung mit Zweidrittelmehrheit. Aber auch Weil musste dazu in Hannover am Montag einräumen, dass der Bundesgesetzgeber dann bei seiner konkreten Standortentscheidung wie der Frage nach dem richtigen Wirtsgestein diese Empfehlung ignorieren kann mit einfacher Mehrheit im Bundestag und zulasten von Gorleben. Weil setzt auf das Prinzip Hoffnung und das große Gewicht der Enquetekommission: "Es gibt dann eine hohe politische Bindungswirkung, ich möchte den Gesetzgeber sehen, der sich darüber hinwegsetzt." Die Bedenken der Bürgerinitiativen und Umweltschützer teilt aber auch der niedersächsische Grünen-Vorsitzende Jan Haude. Er begrüßte die Einrichtung der Enquetekommission als "Chance für einen echten Neubeginn, um anhand von Sachfragen nach einem geeigneten Standort zu suchen". Aber ausdrücklich "kritisch" sieht er die mangelnde Verbindlichkeit der Ergebnisse, die das Gremium vorlegt: "Die Arbeit der Kommission muss realen Einfluss auf den weiteren Endlagerprozess haben." Sowohl Weil als auch der neue niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) hatten vor der Landtagswahl versprochen, sie würden einem Endlagersuchgesetz nur bei Ausschluss von Gorleben zustimmen. Weil reagiert auf alle Vorhaltungen über den Bruch dieses Versprechens ausweichend: "Ich kann zu allem stehen, was ich im Wahlkampf gesagt habe." Grünen-Chef Haude versucht es positiv zu sehen: "Mit dem vorliegenden Vorschlag ist das Aus für den ungeeigneten Standort Gorleben ein Stück näher gerückt."

Nach dem Willen von Altmaier wie Weil sollen Bund und Länder bereits am 6. April das Standortsuchgesetz endgültig vereinbaren, inklusive Einrichtung der Enquetekommission und Verabschiedung durch Bundestag und Bundesrat noch im Juni. Geregelt wäre dann nicht nur die Fortsetzung des Erkundungsstopps bis zur Entscheidung der Enquetekommission in frühestens zwei Jahren, sondern auch der von Altmaier versprochene Verzicht auf Gorleben für die absehbar letzten vier Lieferungen von Castoren mit hochradioaktivem Müll aus den Wiederaufarbeitungsanlagen im französischen La Hague und vor allem aus dem britischen Sellafield. Infrage kommen als Ersatzzwischenlager eigentlich alle noch laufenden neun Atommeiler und das Zwischenlager Ahaus.

Der Sprecher von Altmaier wollte sich nicht festlegen, welche Alternative das allein zuständige Bundesministerium dafür letztlich wählen wird. Aber auch hier gibt es vor Ort im Wendland Skepsis. Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg: "Dass es einen Castorstopp geben könnte, nehmen die Gorleben-Gegner weder Altmaier noch Weil ab." Nach seiner Einschätzung muss Altmaier diese Frage mit der Gesellschaft für Nuklearservice verhandeln. Dieses Tochterunternehmen der vier großen Atomstromkonzerne hat bereits Transportanträge gestellt sowohl für La Hague wie Sellafield mit Ziel Gorleben. Zur Rücknahme dieser Abfälle ist Deutschland völkerrechtlich verpflichtet.

Will Altmaier sein Versprechen wahr machen und die Transporte statt nach Gorleben in die Zwischenlager an den Standorten der Kernkraftwerke umleiten, muss er jetzt umgehend das Gespräch mit den vier Atomstromkonzernen suchen. Allein die nämlich können Transporte beantragen und haben nach geltendem Recht eigentlich überhaupt keine Alternative zu Gorleben: Nur dieses Zwischenlager gleich neben dem Erkundungsbergwerk ist nach Atomrecht zugelassen für die Castoren aus der Wiederaufarbeitung. Es geht um 21 Castoren aus Sellafield und fünf aus La Hague, also insgesamt vier geplante Transporte ab 2015. Und es geht um viel Geld: Ihre "Parkplätze" für weitere Castoren im Zwischenlager Gorleben haben die Konzerne bereits gezahlt, eine Umleitung an andere Standorte wird hohe Kosten verursachen.