Niedersachsen einigt sich mit Umweltminister Altmaier auf Kompromiss. Andere Bundesländer müssen allerdings noch zustimmen.

Berlin/Hannover. Das Land Niedersachsen macht den Weg frei für eine neue ergebnisoffene Suche nach einem geeigneten Endlager für hochradioaktiven Müll, fordert aber im Umkehrschluss einen Stopp aller Castortransporte nach Gorleben ins Zwischenlager. Völlig offen aber ist, ob sich die anderen Bundesländer mit Atomkraftwerken darauf einlassen, dass die noch nötigen mindestens vier Transporte aus dem Ausland in anderen Zwischenlagern an Standorten der Meiler oder im westfälischen Zwischenlager Ahaus landen.

Geht es nach Altmaier und Weil, werden bereits am Sonntag nach Ostern die Bund-Länder-Gespräche über eine neue Endlagersuche abgeschlossen, sodass Bundestag und Bundesrat dieses Gesetz noch vor der Bundestagswahl verabschieden können. Bislang hat die Frage, ob der Salzstock Gorleben im Wendland bei der neuen Endlagersuche einer der möglichen Standorte ist, jede Einigung verhindert. Jetzt wird Gorleben nicht länger ausdrücklich ausgeschlossen bei der neuen Endlagersuche - genau das aber hatte Rot-Grün in Niedersachsen im Wahlkampf gefordert.

Ministerpräsident Weil und der grüne niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel verweisen stattdessen auf die Vereinbarung mit Altmaier, eine Bund-Länder-Enquete-Kommission mit großer Eigenständigkeit zu gründen. Diese Kommission soll bis zum Jahr 2015 auch die "Mindestanforderungen, Ausschlusskriterien und Abwägungskriterien" für die anschließende vergleichende Untersuchung möglicher Standorte in Salz, Ton und Granit festlegen. Altmaier und Weil haben sich zudem darauf geeinigt, dass die Ergebnisse der Arbeit der Kommission dann in Form einer Gesetzesänderung ins Endlagersuchgesetz eingearbeitet werden. Damit kann die Landesregierung in Hannover jetzt argumentieren, praktisch werde über eine Beteiligung von Gorleben an der neuen Suche erst 2015 entschieden.

Letztlich soll der Gesetzgeber den konkreten Standort für ein Endlager festlegen - mit der wichtigen Einschränkung, dass diese Entscheidung auch ein geordnetes Planfeststellungsverfahren beinhaltet. Damit soll sichergestellt werden, dass der Rechtsweg für betroffene Bürger vor Ort nicht verkürzt wird und es auch dabei bleibt, dass die Atomstromkonzerne für die Kosten eines solchen aufwendigen Planungsvorhabens bezahlen müssen. Und bis zur konkreten Entscheidung des Bundestages werden auch die Rechte der betroffenen Länder im Verfahren nicht beschnitten. Sie sind im Auftrag des Bundes als Atomaufsicht tätig und haben über diese Funktion wie die Zuständigkeit für das Bergrecht die Möglichkeit, in die Prozesse einzugreifen.

Erst einmal aber muss sich zeigen, ob andere Bundesländer klaglos hinnehmen, dass die nächsten Castortransporte zu ihnen rollen, obwohl doch im Zwischenlager Gorleben noch reichlich Platz ist. Antragsteller sowohl für die Transportrouten wie das Zwischenlager ist die Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS), eine Tochterfirma der Atomstromkonzerne. Genehmigt werden müssen Transport und Zwischenlagerung durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter. Es geht ab 2015 vor allem um drei Transporte mit insgesamt 23 Castorbehältern aus der britischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield. Um diese Abfälle anderswo als in Gorleben zu lagern, müssten die Betriebsgenehmigungen für die entsprechenden Zwischenlager werden. Dies aber wäre nach Einschätzung von Experten bis zum Jahr 2015 durchaus zu schaffen.

Die CDU-Opposition im Niedersächsischen Landtag begrüßte die Einigung zwischen Altmaier und Weil ausdrücklich. Ihr Vorsitzender Björn Thümler sieht jetzt den Weg frei für eine ergebnisoffene neue Suche: "Ich freue mich, dass die Landesregierung ihre Blockadehaltung in der Gorleben-Frage aufgibt." Rebecca Harms, Grünen-Fraktionschefin im Europäischen Parlament, begrüßte den Kompromiss ebenfalls und verwies auf die neue Enquetekommission: "Sie bietet die große Chance, sich über das Problem Atommüll und seine Lösung fundiert zu verständigen." Es sei aber hart, dass es "zunächst weiterhin nicht zu einer Aufgabe des Standortes Gorleben kommt", sagte Harms, die aus dem Wendland kommt.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace dagegen kritisierte die beiden niedersächsischen Unterhändler scharf: "Stephan Weil und Stefan Wenzel sind dabei, ihr erst wenige Monate altes Wahlversprechen zu brechen."