Senioren im Westen müssen Kaufkraftverlust hinnehmen. Dagegen starker Anstieg im Osten

Berlin. Die 16 Millionen Rentner im Westen Deutschlands gehen in diesem Jahr nahezu leer aus. Ihre Bezüge werden zur Jahresmitte lediglich um 0,25 Prozent erhöht. Für den sogenannten Standardrentner mit einem Einkommen von 1263,15 Euro bedeutet dies 3,16 Euro mehr im Monat. Bei einer erwarteten Teuerungsrate von 1,5 Prozent müssen Senioren in den alten Bundesländern deshalb mit realen Kaufkrafteinbußen rechnen.

Die neue Rentenhöhe gab Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Mittwoch in Berlin bekannt. Anders als im Westen werden die Bezüge für die vier Millionen ostdeutschen Ruheständler kräftig erhöht - um 3,29 Prozent. Die Differenz zwischen West und Ost fällt damit deutlich stärker aus als in den Prognosen erwartet.

"Der Osten holt auf", sagte von der Leyen. Sie freue sich für die Rentner in den neuen Bundesländern. Die Rentenanpassung wurde auf der Basis der Lohnentwicklung im vergangenen Jahr berechnet. Nach Angaben des Arbeitsministeriums lag die Lohnsteigerung im Westen bei 1,5 Prozent und bei 4,32 Prozent im Osten.

Mit dem Rentenbescheid zum 1. Juli bekommen die Senioren im Westen, die zahlenmäßig größte Wählergruppe, damit keine drei Monate vor der Bundestagswahl bescheinigt, dass sie größtenteils von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt sind. Die Löhne der Arbeitnehmer werden in diesem Jahr voraussichtlich um deutlich mehr als zwei Prozent steigen.

Anders die Finanzen der Rentner im Westen. Sie müssen sich noch länger gedulden, bis auch bei ihnen wieder mehr Geld im Portemonnaie ist. "Im Westen zeichnet sich nach den heute verfügbaren vorläufigen Daten für das nächste Jahr wieder ein spürbares Plus ab", erklärte Ministerin von der Leyen. Neben der allgemeinen Lohnentwicklung dämpfte auch die sogenannte Rentengarantie den Anstieg im Westen. Leyen verteidigte diesen Mechanismus als "goldrichtig". Er habe "die Renten in der Krise geschützt und die deutsche Wirtschaft in schwierigster Lage stabil gehalten". Die Rentengarantie hatte im Jahr 2009 trotz der negativen Lohnentwicklung eine Kürzung verhindert. Die Renten fielen dadurch rechnerisch zu hoch aus, im Westen mehr als im Osten. Dieser Überhang wurde nun mit der Erhöhung teilweise verrechnet.

Der Sozialverband VdK nannte die Entwicklung im Westen enttäuschend und verlangte die Abschaffung aller Renten-Dämpfungsfaktoren. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte, die erfreuliche Erhöhung im Osten Deutschlands könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Renten insgesamt sinken. Der "Riester-Faktor" bei der Rentenberechnung, der die staatliche Förderung für private Altersvorsorge ausgleichen soll, sei "das größte Rentenkürzungsprogramm aller Zeiten". Der Arbeitgeberverband BDA forderte ein einheitliches Rentenrecht: Es sei "nicht vermittelbar", warum die Renten im Osten um mehr als drei Prozentpunkte stärker stiegen als im Westen,

Nach einer neuen Studie der Universität Freiburg sorgt jeder zweite Bundesbürger nicht ausreichend privat für das Alter vor. Im Schnitt fehlten ihm dann im Ruhestand nach heutiger Kaufkraft rund 800 Euro.