Als Zeuge einer Diktatur setzt sich der Bundespräsident bei seinem Besuch in Genf besonders für die Menschenrechte ein. Doch bei der Rede vor dem UN-Menschenrechtsrat wirkte Gauck angespannt.

Genf. Es ist ein kalter Wintertag in Genf, Schnee liegt auf den Bergen rund um die Stadt im Westzipfel der Schweiz. Auf dem „Friedhof der Könige“ besuchen Menschen die Verstorbenen. Vor einer schlichten Ruhestätte versammelt sich eine Delegation. In der Mitte verharrt Bundespräsident Joachim Gauck.

Vor Gauck liegt der Historiker und Pazifist Ludwig Quidde begraben, ein weitgehend vergessener deutscher Friedensnobelpreisträger. Gauck sagt: „Ich kannte ihn auch nicht.“ Quidde erhielt den Nobelpreis 1927, musste später vor den Nazis aus Deutschland fliehen und starb 1941 in Genf.

Die Aufwartung am Grab Quiddes ist eine der denkwürdigen Stationen im zweitägigen Programm des Bundespräsidenten in Genf. Gaucks Visite des europäischen Hauptsitzes der Vereinten Nationen bis zum Dienstag steht im Zeichen der Menschenrechte, des Beistandes für Verfolgte. Gauck, der Kämpfer für die Bürgerrechte in der DDR, lag dieser Besuch besonders am Herzen.

„Ich kann nicht anders, als Menschenrechte zu meinem Thema machen, sonst würde ich mich nicht mögen“, sagt ein in sich gekehrter Gauck am späten Montagabend in der Residenz des deutschen UN-Botschafters. Gauck sitzt in einem edlen Holzstuhl, nippt an einem Glas Rotwein. Im Kamin prasselt das Feuer.

Gauck wirkt bei der Rede angespannt

Der Bundespräsident schaut zurück auf den Tag: Gauck führte Gespräche mit der UN-Hochkommissarin für Flüchtlinge, Navi Pillay, dem Generalsekretär des Weltkirchenrates, Olav Fykse Tveit, und Opfern von Unterdrückung wie einem nordkoreanischen Dissidenten.

Und Gauck sprach im UN-Menschenrechtsrat. Der Mann, den man seit Jahren in Deutschland als glänzenden Redner und Kommunikator lobt, wirkt im Saal XX des Genfer UN-Gebäudes angespannt. Gauck spricht als erster deutscher Bundespräsident vor den Vertretern des obersten UN-Gremiums zum Schutze der Menschenrechte. Nach einigen Sätzen löst sich die Spannung, Gauck liefert eine solide, aber keine große Rede.

Die Kernbotschaft des Gastes aus Berlin: „Deutschland wird die Arbeit des Menschenrechtsrates immer unterstützen und dabei besonders die Verständigung zwischen den Regionen fördern.“ Und Gauck verspricht: „Menschenwürde achten, Menschenwürde durchsetzen – das ist ein Projekt, das andauert und das ich mir als Bürger und als Präsident meines Landes zueigen mache.“ Mehrmals erinnert Gauck an seine eigenen, schlimmen Erfahrungen mit der DDR-Diktatur. Und er appelliert an die Opfer von Verfolgung, nicht zu verzagen: „Gemeinsam mit vielen habe ich erlebt, wie Menschen, die machtlos erschienen, einen übermächtigen, einen menschenverachtenden Staat, ein ganzes Regime, ein Imperium, zu Fall brachten.“

Bundespräsident findet neues Thema

Der deutsche Bundespräsident, ein Zeuge von Unterdrückung. Gauck erntet höflichen Beifall. Später werden auch Menschenrechtler wie die Gesellschaft für bedrohte Völker den Auftritt Gaucks gutheißen. Man betrachte es „als Aufwertung des deutschen Menschenrechtsengagements“, dass Gauck als deutsches Staatsoberhaupt vor dem Menschenrechtsrat sprach und nicht wie sonst üblich der Außenminister.

Es scheint, als habe Gauck ein neues großes Thema, die Verteidigung der Menschenrechte, für seine Zeit als Bundespräsident gefunden. Nach Genf will er weitere Institutionen zum Schutz der Menschenrechte besuchen. Im April reist das deutsche Staatsoberhaupt zum Europarat in Straßburg, anschließend geht es zum Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.

Doch gerade ein Mann wie Gauck weiß, dass der Kampf gegen Diskriminierung und Unterdrückung noch lange nicht gewonnen ist. „Die Geschichte der Durchsetzung der Menschenrechte hat viele Kapitel – und kein Ende“, sagt der Bundespräsident.