Während Leiter Jahn die Ermittlungen gegen den Linken-Fraktionschef begrüßt, nimmt der Beiratsvorsitzende Schröder Gysi in Schutz.

Berlin/Hamburg. Die Kritik an Linken-Fraktionschef Gregor Gysi wegen des Verdachts einer Falschaussage geht weiter. Der thüringische FDP-Politiker und Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für den Aufbau Ost, Patrick Kurth, legte Gysi nahe, seine Ämter vorerst ruhen zu lassen. „Ein Mittel wäre es, bis zur Klärung der Vorwürfe seine Ämter ruhen zu lassen“, sagte Kurth der „Mitteldeutschen Zeitung“ laut Vorabbericht (Montagausgabe). Gysi jedenfalls müsse selbst wissen, „ob die hohen moralischen Maßstäbe, die er an andere anlegt, auch für ihn selbst gelten“. Sollten die Vorwürfe stimmen, wäre Gysis Rücktritt unausweichlich, sagte Kurth.

Der SED-Opferverband „Bund der stalinistisch Verfolgten„ hatte sich zuvor ähnlich geäußert und Gysi aufgefordert, bis zur Klärung der Vorwürfe sein Amt als Fraktionsvorsitzender ruhen zu lassen.

Gegen Gysi ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg wegen des Verdachts, eine falsche eidesstattlichen Versicherung über Gespräche mit der DDR-Staatssicherheit abgegeben zu haben. Gysi hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Er habe "niemals eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben", erklärte der 65 Jahre alte Politiker im sozialen Netzwerk Facebook zu einem entsprechenden Bericht der "Welt am Sonntag" (WAMS).

Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt

Nach Informationen der Zeitung hat die Staatsanwaltschaft Hamburg ein Ermittlungsverfahren gegen Gysi eingeleitet. Auslöser sei die Anzeige eines früheren Richters. "Ich kann bestätigen, dass ein solches Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Hamburg anhängig ist", sagte Behördensprecher Carsten Rinio am Sonntag.

Der Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde, Roland Jahn, begrüßte die von der Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungen. „Es ist immer gut, Klarheit in strittigen Fragen zu bekommen“, sagte er der „Mitteldeutschen Zeitung“. Die Ermittlungen könnten helfen, die unterschiedlichen Darstellungen über mögliche Kontakte Gysis mit dem Ministerium für Staatssicherheit aufzuklären.

Der Vorsitzende des Beirates der Stasi-Unterlagen-Behörde, Richard Schröder, verteidigte Gysi. „Mit dem Vorgang hat er nicht gegen seine eidesstattliche Versicherung verstoßen“, sagte er der „Berliner Zeitung“ (Montag). „Das bringt ihm keine Falschaussage ein.“ Schröder fügte hinzu: „Nicht jeder Verdacht, der heute geäußert wird, hat Substanz.“

Streitpunkt eidesstattliche Versicherung

Dem WAMS-Bericht zufolge hat sich der Immunitätsausschuss des Bundestags bereits Ende Januar mit dem Fall befasst und keine Einwände gegen eine Prüfung durch die Staatsanwaltschaft erhoben. Man prüfe bei solchen Anträgen nur, ob es Anhaltspunkte für ein willkürliches oder sachfremdes Vorgehen von Staatsanwälten gegen Abgeordnete gebe, sagte der Ausschussvorsitzende Thomas Strobl (CDU). Solche Fälle kämen in jeder Wahlperiode öfter vor, es gelte die Unschuldsvermutung.

Bei dem Verfahren geht es vor allem um eine eidesstattliche Versicherung, mit der sich Gysi Anfang 2011 gegen die Ausstrahlung einer NDR-Dokumentation gewehrt hatte, hieß es. In der Sendung ging es um Gysis angebliche Kontakte zum Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) in der DDR. In seiner damaligen Erklärung an Eides statt hatte Gysi versichert, er habe "zu keinem Zeitpunkt über Mandanten oder sonst jemand wissentlich und willentlich an die Staatssicherheit berichtet". Diese Aussage könne falsch sein, heißt es nun unter Berufung auf Dokumente der Stasi-Unterlagen-Behörde.

Auf seiner Facebook-Seite schrieb Gysi, nach einer solchen Anzeige müsse der Vorwurf in einem Ermittlungsverfahren geprüft werden. "Das ist schon einmal geschehen. Selbstverständlich wird das Verfahren wie damals eingestellt werden", zeigte er sich überzeugt. Auch Linkspartei-Fraktionssprecher Hendrik Thalheim reagierte gelassen. "Gregor Gysi hat keine Falschaussage gemacht", sagte er. Es sei aber selbstverständlich, dass eine Staatsanwaltschaft jeder Anzeige nachgehen müsse.

Seit rund 20 Jahren werden immer wieder Vorwürfe laut, Gysi habe mit der Stasi zusammengearbeitet. Bislang hat er sich juristisch gegen diesen Verdacht gewehrt. Gysi hatte in der DDR als Anwalt prominente Dissidenten wie Rudolf Bahro und Robert Havemann vertreten. Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen Jahn kündigte an, seine Behörde werde die Ermittler entsprechend dem Stasi-Unterlagen-Gesetz unterstützen. Unterlagen seien "reichlich vorhanden".