Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück will nach einem Wahlsieg das System der Familienpolitik grundlegend überprüfen.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück will nach einem Wahlsieg das milliardenschwere System der Familienpolitik grundlegend überprüfen. Es könne nicht mehr darum gehen, nur an „einzelnen Instrumenten herumzustricken“, sagte der Kanzlerkandidat am Montag „Spiegel online“. „Die Priorität der SPD ist klar: Wir wollen so viel Geld wie möglich in die Infrastruktur stecken.“ Der Schwerpunkt müsse auf einer verbesserten Betreuung sowohl im Kleinkindbereich als auch in der Schule liegen.

Der „Spiegel“ berichtet in seiner neuesten Ausgabe über eine Studie aus dem Bundesfamilienministeriun, die viele Instrumente der Familienpolitik als untauglich, wirkungslos und teilweise sogar kontraproduktiv bewerte. Das Kindergeld erweise sich als „wenig effektiv“, heißt es in dem von einem Gutachterkreis erstellten Bericht. Das Ehegattensplitting sei „ziemlich unwirksam“, die beitragsfreie Mitversicherung von Ehepartnern in der gesetzlichen Krankenversicherung sogar „besonders unwirksam“.

Die Vorsitzende des Familienausschuss des Bundestages, Sibylle Laurischk (FDP), sprach sich dafür aus, die familienpolitischen Leistungen auf den Prüfstand zu stellen. In der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Montag) forderte sie statt verschiedener, schwer zu durchschauender Angebote ein „Kinderbasisgeld“ – eine unkomplizierte Grundleistung, die bei den Kindern tatsächlich ankomme.

Auch die Familienforscherin Jutta Allmendinger plädierte für einen grundlegenden Umbau der Familienförderung; sie sei immer noch zu sehr auf das traditionelle Modell der Ein-Ernährer-Familie ausgelegt. Die Expertin für Familienpolitik am Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung erklärte im WDR, dass Frauen wie Männer Arbeit und Familie vereinbaren wollten, aber die Unterstützung fehle. Insbesondere Familien in den mittleren und unteren Einkommensbereichen benötigten vor allem eine gute Versorgung junger Kinder. „Wir müssen Kinderkrippen ausbauen und dürfen nicht Akzente in die andere Richtung setzen. Und das tun wir mit dem Betreuungsgeld beispielsweise.“

Am Sonntag hatte der Deutsche Städte- und Gemeindebund ein Wirrwarr unterschiedlicher familienpolitischer Leistungen beklagt. Zur Zeit gebe die Bundesrepublik für 152 familienpolitische Leistungen jährlich 123 Milliarden Euro aus. „Dieser Leistungskatalog muss dringend durchforstet, entbürokratisiert und zielgenau auf die wirklich Bedürftigen konzentriert werden, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg.

Heftige Kritik an der Debatte äußerte dagegen der Leiter des Heidelberger Büros für Familienfragen und soziale Sicherheit, Kostas Petropulos. Ziel sei offenbar die totale Arbeitsmarktvermarktung von Eltern und nicht das Wohl der Kinder, kritisierte er im Deutschlandfunk. „Es geht also hier um Arbeitsmarktpolitik und nicht um Familienpolitik.“

Petropulos betonte zugleich, dass die Familien 50 Prozent der vom Staat gezahlten Familienförderung über Steuern und Sozialbeiträge selbst erwirtschafteten. Wissenschaftler hätten ausgerechnet, dass „pro Kind der Staat 77.000 Euro im Lebenslauf verdient. Das heißt, der Staat verdient unterm Strich an den Familien, und das ist eine zentrale Ursache dafür, weshalb es den Familien tatsächlich wirtschaftlich mit am schlechtesten in dieser Republik geht“.

Der Familienexperte kritisierte eine „Fixierung auf das Geld“; dies gehe völlig an der Lebenswirklichkeit der Familien vorbei. „Fakt ist, dass bei uns hierzulande Kinder das Armuts- und Berufsrisiko Nummer eins sind.“ Deutschland stehe in Sachen Familienfeindlichkeit europaweit mit Abstand an der Spitze. Eltern wollten erwerbstätig sein, aber nicht in diesem Umfang. „Gewünscht wird in der Regel eher Teilzeitarbeit, und da sind wir bei dem Thema, warum gibt es keine qualifizierte gut bezahlte Teilzeitarbeit.“