Opposition beklagt fehlende Transparenz der Regierung bei Rüstungsgeschäften. Auch Hamburger Beteiligte sind wenig auskunftsfreudig.

Hamburg. Der Hamburger Hafen ist bekannt für die Touristendampfer. Wenn die "Queen Mary 2" die Landungsbrücken verlässt, winken Tausende am Ufer. Jan von Aken sagt: Nicht nur Kreuzfahrtschiffe verlassen den Hafen. Sondern auch Kriegsschiffe, Bauteile für Panzer und Kampfjets, Waffen und Munition. Es seien großenteils in Hamburg produzierte Rüstungsgüter, die sich von der Elbe auf den Weg in die Krisenregionen dieser Welt machen. Von Aken ist Hamburger Abgeordneter der Linken im Bundestag, seit Jahren kämpft er dafür, dass Deutschland den Handel mit Waffen stoppt. Für Hamburg hat er 2011 einen Rüstungsindex erarbeitet. Knapp 100 Unternehmen mit rüstungsrelevanten Produkten und Dienstleistungen aus Hamburg und dem Umland sind dort gelistet. Von Aken recherchierte auf Waffenmessen, Internetseiten der Firmen, stellte Anfragen, hatte Informanten. Selten waren die Unternehmen auskunftsfreudig.

Es ist kein Geheimnis, dass die Kieler Werft HDW Weltmarktführer bei nicht atomar betriebenen U-Booten ist, Airbus auch Rumpfteile für Militärflugzeuge herstellt, Blohm + Voss Fregatten für die Marine. In Trittau nahe Hamburg produziert ein Tochterunternehmen von Rheinmetall Munition auch für Panzer. Doch laut von Akens Rüstungsindex gibt es in Hamburg viele kleinere Firmen, die Geschäfte im Bereich Militär machen: Kabel für Kampfflugzeuge, Munitionsaufzüge für Torpedos, Radaranlagen für Kriegsschiffe, bis hin zu antimagnetischen U-Boot-Küchen. So führt der Bericht etwa Rohde & Schwarz GmbH als Hersteller von Peilsystemen in Eimsbüttel und den Produzenten von Steuerungssystemen wie die Bosch Rexroth AG im Bezirk Nord auf.

Doch wer mehr erfahren will über das Geschäft mit der Rüstung, stößt vor allem auf eines: Schweigen. Das Hamburger Abendblatt hatte mehr als 20 Unternehmen, die im Rüstungsindex aufgeführt sind, angeschrieben und Fragen zu Produktion und Zielländern gestellt. Meist kam keine Antwort. Manchmal waren die Reaktionen abweisend. Oder wie beim Beispiel Germanischer Lloyd kam nur die schriftliche Antwort: "Der Germanische Lloyd exportiert keine Rüstungsgüter." In Jan von Akens Bericht heißt es zum Germanischen Lloyd, er wirke "mit beim Bau zahlreicher Fregatten, U-Boote, Schnellboote und Tender der Bundesmarine, pflegt aber auch vielfältige Geschäftsbeziehungen zu ausländischen Marinewerften und Seestreitkräften." Zu den Kunden würden die Streitkräfte von Staaten wie Saudi-Arabien oder Libyen, aber auch Mauretanien, Mexiko, Israel und Türkei zählen.

Offizielle Zahlen zu Produktion und Ausfuhren erfassen auch die Behörden in Hamburg nicht. Weder die Handelskammer noch die Hafenverwaltung Hamburg Port Authority können auf Nachfrage Auskunft geben. Man wisse nichts. Und verweist auf die Innenbehörde und die Wirtschaftsbehörde. Doch auch dort gibt es keine Informationen, weder zu Hamburger Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, noch zu Exporten aus dem Hafen. Vielleicht wisse die Bundeszollverwaltung mehr. Das Finanzministerium in Berlin weist für genaue Angaben auf den Rüstungsexportbericht der Bundesregierung hin. Zahlen zu Hamburg sind dort nicht aufgeführt. Nur der Umsatzsteuerbericht des Statistikamts listet für Hamburg in 2010 nicht namentlich zwei Hersteller von Munition und Waffen. Weitere Angaben auch zu Zulieferern würden der Geheimhaltung unterliegen, heißt es auf Nachfrage.

Das Geschäft mit Waffen und Munition ist ein Schattenreich, Transparenz Fehlanzeige - das beklagte auch die Opposition bei der Debatte am Donnerstag über den Rüstungsexportbericht der Bundesregierung. Die SPD kritisierte vor allem Exporte nach Saudi-Arabien und Pakistan. Edelgard Bulmahn (SPD) plädierte dafür, den Bundestag bei Entscheidungen stärker einzubeziehen. Es gebe keinen Grund für eine "übertriebene Geheimdiplomatie".

Im weltweiten Vergleich steht Deutschland bei der Ausfuhr von Rüstungsgütern hinter den USA und Russland auf Platz drei. Nach dem Regierungsbericht wurden 2011 Rüstungsexporte im Wert von 5,4 Milliarden Euro genehmigt, so viel wie seit 2008 nicht mehr. Besonders gefragt waren Panzer und Militärlaster. Wichtigste Abnehmer waren die Niederlande und die USA. Bereits auf Platz drei folgen aber die Vereinigten Arabischen Emirate, auf Platz acht Algerien, auf Platz zwölf Saudi-Arabien, Ägypten auf 18. Letztere werden für die Situation der Menschenrechte international kritisiert.

Politiker der Bundesregierung verteidigten die Exporte. "Wir haben eines der strengsten Kontrollregimes weltweit, das sich eng an die europäischen Vorgaben hält", sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Joachim Pfeiffer. Martin Lindner von der FDP hielt SPD und Grünen vor, sie hätten in ihrer Regierungszeit selbst ausgiebig Genehmigungen erteilt.

Doch auch der Hamburger Journalist Hauke Friederichs sagt: "Deutschland hat theoretisch strenge Regeln für den Rüstungsexport in Länder außerhalb von Nato und EU." Nur halte sich die Regierung offenbar nicht an die eigenen Richtlinien. "Das größte Problem ist, dass das Kabinett die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien nicht erklärt. Minister verstecken sich hinter dem geheim tagenden Bundessicherheitsrat." Für sein Buch "Bombengeschäfte" reiste Friederichs auf Waffenmessen in Nahost und in Staaten wie Saudi-Arabien, an das Deutschlands umstrittene Panzerlieferungen gingen.

Zwar seien teilweise nur Vertriebsbüros von Firmen gelistet, aber dennoch hält Friederichs von Akens Hamburg-Index für solide. Große Rüstungskonzerne seien kaum noch hier ansässig, dennoch spiele die Stadt für Zulieferungen eine große Rolle. So produziere die Jenoptik-Tochter ESW in Wedel Antriebe für Turm und Geschütz von Panzern. "Das Unternehmen ist aber wie die meisten Hamburger Rüstungsproduzenten auch im zivilen Bereich tätig und baut auch Radarfallen", sagt Friederichs. Er bestätigt: Der Hafen sei wichtig für den Rüstungsexport. Mitbekommen würde das aber kaum jemand. Viele Waffen werden in Containern transportiert, von außen uneinsehbar. "Und ganz legal", sagt Friederichs.