Jetzt wird in Berlin der Bau eines zweiten Terminals für eine halbe Milliarde Euro geprüft. Die Finanzierung ist bisher unklar.

Berlin. Wann der neue Berliner Großflughafen startklar sein wird, steht in den Sternen. Im Jahr 2014 oder 2015? Vielleicht sogar erst 2016? Nachdem die Eröffnung viermal verschoben werden musste, will sich keiner der am Projekt beteiligten Politiker mehr auf einen Termin festlegen. Nun macht ihnen ein weiteres Desaster zu schaffen, das den Problemen beim Brandschutz und den damit einhergehenden Bauverzögerungen in nichts nachsteht. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD) müssen eingestehen, dass der Airport mit dem Beinamen "Willy Brandt" und internationalen Code "BER" voraussichtlich schon vor dem Start erweitert werden muss.

Müsste noch vor der Eröffnung mit dem Ausbau begonnen werden, wäre das ein Fiasko, das in der Geschichte des Flughafenbaus wohl einmalig ist. Vor allem Minister Ramsauer sieht Handlungsbedarf. "Wenn man die derzeitige Passagierentwicklung am Standort Berlin zugrunde legt, wird der BER von Anfang an stark ausgelastet sein", sagte Ramsauer. Jetzt prüft die Flughafen-Gesellschaft FBB den Bau eines zusätzlichen Terminals ("Satellit"). Geschätzte Kosten: rund 500 Millionen Euro. Finanzierung: völlig unklar.

Bereits Ende November hatte die "Welt" über ein Gutachten des Flughafenexperten Dieter Faulenbach da Costa berichtet, der vor drohenden Engpässen warnte und von einer "grandiosen Fehlplanung" sprach. Damals ignorierten die Gesellschafter und die FBB-Geschäftsführung noch den Befund und mokierten sich über den Kritiker. Inzwischen lässt sich die Macht der Fakten nicht mehr verdrängen. Am vergangenen Donnerstag wurde Faulenbach da Costa aus Hessen sogar ins Bundesverkehrsministerium gebeten. Der scharfzüngige Hesse durfte vor der Soko "BER" immerhin seine Argumente vortragen. Nach aktuellem Stand ist der "Willy Brandt"-Airport vor den Toren der Hauptstadt für lediglich 27 Millionen Passagiere ausgelegt. Diese Marke wird voraussichtlich bereits im kommenden Jahr überschritten. Laut Planfeststellungsbeschluss vom Sommer 2004 hatte man damit erst im Jahr 2020 gerechnet.

In dem Satellitenterminal mit einer Länge von gut 700 Metern und etwa 100.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche könnten bis zu 7,5 Millionen Passagiere im Jahr zusätzlich abgefertigt werden. Nur so kann der Flughafen voraussichtlich das steigende Passagieraufkommen bewältigen. Aber selbst der Satellit würde der Airport GmbH nur auf mittlere Sicht ein wenig Luft verschaffen. Denn Fachleute prognostizieren in sieben Jahren sogar schon ein Aufkommen von 33 bis 38 Millionen Fluggästen. Die Bedeutung der Luftverkehrsregion Berlin und Brandenburg ist in der Vergangenheit offenbar dramatisch unterschätzt worden.

Der Münchener Flughafen Franz Josef Strauß zeigt, dass vorausschauender geplant werden kann. Dort wird gerade ein 123.000 Quadratmeter großes Satellitenterminal mit 52 Gates hochgezogen. Der Grundstein dafür wurde 2011 gelegt, allerdings erst zwei Jahrzehnte nach der Inbetriebnahme der Anlage im Erdinger Moos. Das 650 Millionen Euro teure Bauwerk soll dem süddeutschen Luftdrehkreuz vom Jahr 2015 an mehr Schubkraft verleihen. Zusätzlich können dann elf Millionen Passagiere abgefertigt werden. Sie sollen über den Satelliten nur an- oder abreisen, den Check-in, die Sicherheitskontrollen und die Gepäckausgabe aber weiterhin im Terminal 2 nutzen. Zwischen ihm und dem Satelliten ist ein vollautomatisches Transportsystem für die Fluggäste vorgesehen.

Auf dem BER-Gelände ist sogar Platz für zwei ähnliche Satelliten vorhanden. Beide können auf dem bereits fertigen Rollfeld errichtet werden, das dafür jedoch aufgerissen werden müsste. Ein 300 Meter langer Tunnel soll die Außenstationen mit dem Hauptterminal verbinden. Das jedoch würde auch weitere Investitionen im Hauptterminal nötig machen. Dort müssten weitere Gepäckbänder und Check-in-Schalter installiert werden. Das Passagieraufkommen im Hauptterminal wiederum kann mit weiteren Nachrüstungen noch um drei Millionen auf maximal 30 Millionen gesteigert werden. Damit und mit dem Satelliten würde die Forderung von Ramsauer erfüllt, am BER zusätzlich Platz für mindestens zehn Millionen Fluggäste zu schaffen.

Allerdings drängt die Zeit. Von dem Berliner Satelliten gibt es bisher nur eine Computersimulation. Wie München zeigt, ist bei einem solchen Projekt eine Bauzeit von rund vier Jahren realistisch. Mit anderen Worten: Beim BER wäre eine Fertigstellung kaum vor 2017 möglich, selbst wenn das Vorhaben umgehend ausgeschrieben würde.

Ist der Großflughafen erst einmal in Betrieb, kann der Bau des Satelliten nur eingeschränkt vorangetrieben werden. Denn der Flugverkehr hat Vorrang. Viele Arbeiten müssten dann in den Stunden des nächtlichen Flugverbots stattfinden. Das treibt die Kosten. Nun rächt sich, dass die Projektverantwortlichen nicht früher auf die dynamische Entwicklung des Passagieraufkommens der vergangenen Jahre reagiert haben. Platzeck, der Wowereit jüngst als Aufsichtsratschef der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH ablöste, lässt nun erst einmal eine aktuelle Luftverkehrsprognose erstellen.

Für den neuen Oberaufseher ("Entweder das Ding fliegt, oder ich fliege") dürfte die Erweiterung des BER weniger technisch als vielmehr politisch heikel sein. Denn das Geld für den Satelliten müsste der Steuerzahler aufbringen, was ohne Zustimmung von Bundestag, Potsdamer Landtag und Berliner Abgeordnetenhaus nicht ginge. Viele Parlamentarier fühlen sich schon jetzt verschaukelt. Kostenklarheit sei bei dem Projekt ein Fremdwort, klagen sie. Ein Schreiben Wowereits an das Landesparlament belegt, wie das Problem der Finanzierung bisher bagatellisiert wurde. In dem Dokument vom 22. Oktober 2012 gesteht er zwar, dass im aktuellen Budget für den Airport-Bau die Mittel zur "Realisierung eines Satellitenterminals nicht enthalten" seien. Doch zugleich machte Wowereit den Abgeordneten weis, "eine Refinanzierung des Satelliten" sei durch "künftige operative Überschüsse" der Airport-GmbH möglich. Doch diese musste nach dem zuletzt veröffentlichten Geschäftsbericht bei einem Umsatz von 254 Millionen Euro ein Minus von 75 Millionen Euro verkraften. Das Eigenkapital hat einen bedenklich niedrigen Wert erreicht. Vor diesem Hintergrund ist es auf absehbare Zeit so gut wie unmöglich, dass die GmbH eine 500-Millionen-Investition aus eigener Kraft stemmen kann.

Der verschobene Starttermin verursacht jedenfalls auch außerplanmäßige Ausgaben für die alten Airports Tegel und Schönefeld. Beide werden zwar nur noch für eine Übergangszeit gebraucht, müssen aber trotzdem dringend renoviert werden. Laut Regierungskreisen schlägt das mit bis zu 40 Millionen Euro zu Buche. Auch die spätere Eröffnung des BER kostet viel Geld - gut und gerne 15 Millionen Euro pro Monat. Schließlich kommen auf die Airport-GmbH Schadenersatzansprüche von Ladenbesitzern und Fluggesellschaften hinzu.

Summa summarum dürfte ein Gesamtbetrag von nochmals gut einer Milliarde Euro auflaufen, konservativ gerechnet, Satellit inklusive. Woher die Mittel kommen sollen, ist ungewiss. Schon Ende 2013 mussten Berlin, Brandenburg und der Bund ihre Flughafengesellschaft mit 1,2 Milliarden Euro stützen. Damit hatten sich die ursprünglich mit zwei Milliarden Euro kalkulierten Gesamtkosten des Projekts mehr als verdoppelt. Die Rede war seinerzeit von 4,3 Milliarden Euro, ein Betrag, der angeblich jede Menge Sicherheitspuffer enthielt. Nun ist damit zu rechnen, dass bald eine "5" vor dem Komma stehen wird.

Die weiteren staatlichen Finanzhilfen für das Pannenprojekt im märkischen Sand müssen sich die drei BER-Eigner aller Voraussicht nach auch wieder in Brüssel absegnen lassen.