Der FDP-Chef verteidigt seinen Posten gegen Kritiker - und bindet Fraktionschef Brüderle als “Spitzenmann“ ins Wahlkampf-Team ein.

Berlin. Eine Nacht hatte Philipp Rösler Zeit, um zu überlegen, was er aus dem überragenden Wahlergebnis der FDP in Niedersachsen macht. Einen Plan hatte er sich in den vergangenen Tagen längst zurechtgelegt. Und die 9,9 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl verschafften dem in der eigenen Partei umstrittenen Vorsitzenden nun das, was er für die Umsetzung brauchte: Handlungsfreiheit.

Der Plan ging so: Rösler wollte seine drei Ämter als Parteichef, Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler verteidigen. Aber er wusste, dass es starke Stimmen in der FDP gibt, die sich - offen oder verdeckt - für Rainer Brüderle als seinen Nachfolger aussprechen. Deshalb wollte er dem Fraktionschef eine herausgehobene Position anbieten, eine Art symbolische Aufwertung. Als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl sollte Brüderle in ein von Rösler geführtes Team einbezogen werden. Bereits am Wahlabend trug der 39-Jährige dem 28 Jahre älteren Brüderle diese Idee in einem Vier-Augen-Gespräch vor. Dessen Mitarbeiter hatten in den vergangenen Tagen betont, ihr Chef sei für eine solche Assistentenrolle nicht zu haben. Angesichts des guten Wahlergebnisses aber soll Brüderle nun zugestimmt haben. Heißt es.

Rösler aber traute dem Braten nicht. Würde der Kollege sich an die Absprache, für die es keine Zeugen gab, halten? Würden Röslers Gegner in Präsidium und Vorstand sich daran halten? Er ahnte, dass seine parteiinternen Kritiker auch nach dem Triumph an der Leine keine Ruhe gegeben hätten. Jedenfalls nicht auf Dauer. Tatsächlich wurden schon am Sonntagabend Pläne geschmiedet, wie Rösler nach einer Phase des Stillhaltens doch noch abgelöst werden könnte.

Über Nacht entwickelte Rösler deshalb einen weiteren Plan, mit dem er die Spitzengremien am Montagmorgen überraschte. Er bot dem Fraktionschef in der Präsidiumssitzung nicht nur die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl im September an, sondern auch noch den Parteivorsitz. "Ich bin bereit, zur Seite zu treten, wenn Rainer Brüderle auch Bundesvorsitzender werden will", teilte Rösler den Kollegen mit. Ein Paukenschlag. Es kam nicht viel Substanzielles. Teilnehmer berichteten, lediglich Entwicklungsminister Dirk Niebel habe sich offen für Brüderle als Parteichef ausgesprochen. Ein bis zwei weitere Redner hätten eine Präferenz für Brüderle angedeutet. Aber ein Aufstand blieb aus. Allerdings zog das unerwartete Angebot stundenlange Beratungen nach sich, darunter ein weiteres Vier-Augen-Gespräch Röslers mit Brüderle. Wäre er von einer großen Mehrheit gerufen worden, er wäre wohl gefolgt. Aber nun hätte er von sich aus erklären müssen: Ich will es machen. Also lehnte er ab.

Damit allerdings ist er gegenüber Rösler geschwächt. Die vielen Unzufriedenen in der FDP werden ihm ankreiden, dass er die Chance zum Führungswechsel verstreichen ließ. Erklärte Rösler-Gegner wie Niebel stehen nun als Maulhelden da, denen die Truppen für die Durchsetzung ihrer Forderungen fehlen. "Brüderle hat gekniffen", sagte ein Mitglied der erweiterten FDP-Führung. Rösler dagegen habe Führungsstärke bewiesen. "Das war seine Reifeprüfung." Der Rest war Showgeschäft. Rösler und Brüderle traten gemeinsam vor die Presse. "Es war nicht meine Absicht, Parteivorsitzender zu werden", sagte Brüderle. Stattdessen werde er "Gesicht und Kopf" der FDP für den Bundestagswahlkampf. Spitzenkandidatur wollte man diesen Posten nicht nennen, schließlich stellten die Liberalen keine Kanzlerkandidaten auf. "Spitzenmann" sei die korrekte Bezeichnung. "Das ist eine richtige Aufstellung", sagte Rösler, der Vorsitzender bleibt, und führt in dieser Funktion das gesamte Wahlkampfteam.

Einer der gelassensten Kommentare zu der neuen Teamlösung bei der FDP kam von der Bundeskanzlerin. Angela Merkel teilte mit, sie erwarte von der neuen Arbeitsteilung der Liberalen keine größeren Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der schwarz-gelben Regierungskoalition. "Wir werden so vertrauensvoll wie immer miteinander zusammenarbeiten", sagte die CDU-Vorsitzende und fügte mit Blick auf die ausgefallene Personalrochade hinzu: "Es sind ja alle noch da."