Grüne machen Energiewende zum Wahlkampfschwerpunkt: Bund soll bei privaten Netzbetreibern einsteigen, die Industrie mehr zahlen.

Berlin. Die Grünen wollen den Ausbau des Stromnetzes durch Staatsbeteiligungen an den privaten Netzbetreibern sicherstellen. Laut einem Papier der Bundestagsfraktion soll die von Bund und Ländern getragene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) finanzielle Belastungen beim Bau neuer Leitungen sowie Trassen zu Offshore-Windparks übernehmen und dafür dann bei den Netzfirmen einsteigen. "Wir wollen, dass der Bund über die KfW für die Belastungen eintritt und im Gegenzug eine Kapitalbeteiligung an dem betroffenen Netzbetreiber verlangt. Damit wollen wir uns auf den Weg zur Gründung einer bundesweiten deutschen Netzgesellschaft machen", heißt es in dem Papier für die Klausurtagung der Grünen-Bundestagfraktion in dieser Woche in Weimar.

Eine Bundesnetzgesellschaft sei nötig, "um den Aufbau der neuen Hochleistungsstromnetze schnell in Gang zu setzen". Auch bei der Anbindung der Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee sei "ein verstärktes Engagement des Staates erforderlich, um weitere Verzögerungen zu verhindern". Die Bundesnetzgesellschaft soll gewährleisten, dass der Ausbau "nicht an den Problemen privater Netzgesellschaften scheitert". Verhindern will man auch, dass die Kosten vor allem von Privathaushalten getragen werden. "Union und FDP haben beschlossen, die schon entstandenen Schäden auf die Stromverbraucher abzuwälzen. Ein Großteil der Industrie wird auch hier wieder von den Belastungen ausgenommen. Das ist ungerecht und wird das Problem nicht lösen", schreiben die Grünen.

Indem die Grünen die Ausnahmen für die Industrie reduzieren wollen, ergeben sich erhebliche Differenzen zum SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Denn laut "Handelsblatt" hat Steinbrück vor einem Jahr in seiner damaligen Funktion als Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp dem Stahlkonzern "politische Unterstützung" beim Einsatz für besonders niedrige Strompreise bei Industriekunden zugesagt. Die Grünen aber wollen das Gegenteil. Unter Verweis auf zwei Gutachten von Forschungsinstituten erklären sie, dass die Strompreise der stromintensiven Industriekunden seit 2009 um fast zwei Cent auf nur gut fünf Cent, teilweise noch tiefer gefallen seien und dass daher die Industrie nicht weniger, sondern mehr an den Kosten des Netzausbaus und der Umlage im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) beteiligt werden müsse.

"Wir wollen die Industrie-Privilegien bei der EEG-Umlage sowie den Netzentgelten zurückführen", heißt es in dem Papier. Nur wenige "Härtefälle" sollen Ausnahmen bei der EEG-Umlage erhalten. Und bei diesen Härtefällen soll der ermäßigte Satz für die Umlage von 0,05 Cent pro Kilowattstunde auf 0,5 Cent verzehnfacht werden.

Die Kosten für Privathaushalte sollen laut Fraktionspapier gesenkt werden. Die Grünen wollen "ineffiziente Regelungen im EEG wie die Marktprämie abschaffen" und "die Vergütungssätze für erneuerbare Energien regelmäßig an die sinkenden Erzeugungskosten anpassen, um Überförderung zu vermeiden". Dadurch könne man "Privathaushalte und Mittelstand kurzfristig um vier Milliarden Euro im Jahr entlasten". Privatleute vom Kostendruck befreien wollen die Grünen auch durch einen Energiesparfonds mit drei Milliarden Euro. Finanziert aus dem Abbau umweltschädlicher Subventionen soll er dazu dienen, "Kommunen bei der energetischen Sanierung von Wohnquartieren mit hohem Anteil einkommensschwacher Haushalte und der energetischen Sanierung öffentlicher Gebäude zu helfen sowie Verbraucher und Unternehmen beim Stromsparen zu unterstützen". Konkret planen die Grünen dabei, dass es nicht nur eine bessere Energieberatung geben soll, sondern auch Zuschüsse, die etwa Stadtwerke ihren Kunden zahlen, wenn diese veraltete Stromfresser in der Küche gegen moderne Geräte mit geringem Verbrauch austauschen.

Im gesamtstaatlichen Energiesystem wollen die Grünen den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung von derzeit 25 Prozent bis 2020 verdoppeln und 2030 "den Komplettumstieg auf 100 Prozent Erneuerbare geschafft haben". Im Mittelpunkt stehen Windkraft und Solarenergie, während es "bei Wasserkraft und Biomasse nur begrenzte Ausbaumöglichkeiten" gebe. Strom aus Biomasse soll nur dann gefördert werden, wenn Bauern unterschiedliche Energiepflanzen wechselnd anbauen, damit es nicht zur "Vermaisung" der Landschaft kommt.

Grundsätzlich fordern die Grünen in dem Papier "ein neues Strommarktdesign", da Windräder und Solaranlagen an der Strombörse nicht zu finanzieren seien. Nötig sei ein Markt, der "Klimaschutz, Flexibilität und Versorgungssicherheit" honoriere.

Das Energiekonzept wollen die Grünen zu einem Schwerpunktthema im Wahlkampf machen, wie der Parteivorstand bei dessen Klausur am Montag und Dienstag in Lüneburg beschloss. "Energiewende ist mehr als das Abschalten von Atomkraftwerken und Entlastung der Industrie von Stromkosten", sagte Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin. Die Herausforderungen seien "Netzausbau, neues Strommarktdesign, Kapazitätsmärkte, Energieeffizienz und 100 Prozent erneuerbare Energien". Die schwarz-gelbe Bundesregierung habe "bewiesen, dass sie dies weder kann noch will".

Außerdem wollen die Grünen auch die Finanzpolitik, soziale Gerechtigkeit, die Reform der Sicherheitsbehörden und den Kampf gegen Massentierhaltung zu zentralen Wahlkampfthemen machen. Und wie die zweite Spitzenkandidatin, Katrin Göring-Eckardt, sagte, will man schon nach einem Sieg bei der Niedersachsen-Wahl am 20. Januar die veränderten Mehrheiten im Bundesrat für mehr Gleichberechtigung und Chancengleichheit nutzen.