Führungsspitze notorisch zerstritten, prominente Piraten ziehen sich zurück: Die einstigen Medienlieblinge befinden sich im Umfragekeller.

Düsseldorf. Katerstimmung bei den Piraten: Im Wahljahr 2013 stehen ihre Chancen schlecht. Der Medienrummel ist abgeebbt, die Umfragewerte sind im Keller. Seit 2011 haben sie den Einzug in vier Landtage geschafft. Doch frischen Wind lassen sie eher selten durch die Parlamente von Nordrhein-Westfalen, Berlin, Schleswig-Holstein und das Saarland wehen. Inzwischen weisen Wählerumfragen nur noch drei Prozent Zustimmung für die politischen Freibeuter aus.

Der Düsseldorfer Politologe Professor Ulrich von Alemann glaubt nicht, dass sie in diesem Jahr in den Bundestag und weitere Landtage in Niedersachsen, Bayern und möglicherweise Hessen einziehen können. „Einen Königsweg aus ihrer Flaute sehe ich nicht“, sagt er in Düsseldorf.

Die Probleme der Piraten seien vor allem hausgemacht, analysiert der Politikwissenschaftler. „Die Führungsspitze ist notorisch zerstritten, prominente Piraten ziehen sich zurück und es gibt kein klares programmatisches Profil.“

Der Fraktionschef der Piraten im Düsseldorfer Landtag, Joachim Paul, formuliert das noch drastischer: „Eigene Blödheit“ sei ein nicht unwesentlicher Grund für den Absturz in den Umfragen, räumt er ein. „Das gesunde Mittelmaß zwischen sachlichen Inhalten und Selbstdarstellung, das kriegen einige noch nicht so ganz hin.“

In Düsseldorf sorgte die im Mai frisch in den Landtag eingezogene Fraktion vor allem mit Twitter-Skandalen für Aufruhr. Ein Abgeordneter zwitscherte sexuelle Anzüglichkeiten in die Welt und klagte über Langeweile im Landtag, ein anderer handelte sich mit einer unbedachten Twitter-Mitteilung Antisemitismus-Vorwürfe ein. „Machtworte funktionieren bei den Piraten nicht“, betont Fraktionschef Paul, hofft aber auf Einsicht.

Langeweile über den politischen Alltag herrscht allerdings nicht nur in Reihen der Piraten, sondern auch beim Wähler. „Der Strohfeuer-Effekt, die Begeisterung, mal eine ganz andere Gruppe wählen zu können, hat sich sehr gelegt“, stellt von Alemann fest.

Jetzt müssen sich die Neulinge mit parlamentarischen Geschäftsordnungen auseinandersetzen und Anträge schreiben wie alle Anderen auch. Der Nimbus der Protestpartei sei verflogen und damit auch die Attraktivität für die Medien. „Die Piraten müssten etwas ganz Neues, Spannendes verkörpern.“

Eine solche Idee will Paul in seiner Partei nach vorne tragen: „Wir müssen uns ein Wirtschaftsprofil geben, das einen Kontrapunkt setzt zu den anderen Parteien.“ Das Modell der sozialen Marktwirtschaft sei zur Worthülse verkommen und müsse zu einer echten Gemeinwohlorientierung weiterentwickelt werden. Dazu gehörten Grundeinkommen, kostenfreie Lern- und öffentliche Verkehrsmittel oder etwa eine Vergesellschaftung der natürlichen Ressourcen, erläutert der promovierte Biophysiker.

Den Politikwissenschaftler überzeugt das nicht. „Der dritte Weg zwischen Markt und Plan – das ist eine verkopfte, romantische Idee, die blaue Blume der politischen Theorie“, urteilt von Alemann. Er sieht die Piraten vor massiven Problemen: „Im Gegensatz zu den Grünen und zur Linkspartei sind die sozialen Milieus hinter ihnen – bei den Piraten vor allem die Internet-Freaks – viel zu klein, um die Partei über die Fünf-Prozent-Hürde zu tragen.“

Auch im Kommunikationsverhalten der Piraten sieht der Politologe Mängel: Ihr Wahlkampfthema Transparenz sei nur „schwer zu greifen“, und im Landtag pflegten sie „eine akademische Hochsprache, mit der sie nicht zu ihren Wählern durchstoßen werden“. Auch Paul räumt beim Erklären von Politik Lernbedarf ein. Es könne aber auch nicht jeder komplexe Sachverhalt in einer „populistischen Faustformel“ verpackt werden. „Sonst fühlt sich der Wähler verarscht.“

Von Alemann sieht nach der schlechten Ausgangslage kaum noch Hoffnung für die Piraten: „Im heißen Sommer des Wahlkampfs werden die großen Parteien, die Elefanten, das Feld zertrampeln. Da können Kleine schnell unter die Hufe kommen.“