Doch dem FDP-Chef läuft die Zeit für den Umschwung davon. Die Konkurrenz lauert. Personaldebatte bremst Niedersachsens Liberale.

Berlin. FDP-Chef Philipp Rösler bleibt nicht mehr viel Zeit, um das Blatt für sich und seine im Umfragetief steckende Partei zu wenden. Nach dem verkorksten Jahreswechsel bietet sich für ihn am Wochenende eine Chance beim Dreikönigstreffen in Stuttgart, wo er als Hauptredner auftreten wird. Doch selbst bei dem traditionellen liberalen Hochamt kann sich der 39-Jährige nicht sicher fühlen: Mit Fraktionschef Rainer Brüderle und Entwicklungsminister Dirk Niebel ergreifen diesmal auch zwei innerparteiliche Kontrahenten das Wort. Während sie fast nur gewinnen können, geht es für Rösler im Staatstheater um alles.

Zwei Wochen vor der Landtagswahl in Niedersachsen liegt die Partei noch immer unter der Fünf-Prozent-Hürde, die für einen Verbleib in der Regierung deutlich überschritten werden müsste. Doch anstatt alle Kräfte zu bündeln, leisten sich die Liberalen eine Personaldebatte. Vor allem Niebel ließ in den vergangenen Wochen keine Gelegenheit aus, um Rösler zu schaden und die Diskussion über den Vorsitzenden am Kochen zu halten. So plädierte er nicht nur für eine Trennung von Vorsitz und Spitzenkandidatur, sondern befürwortete auch eine Kampfkandidatur beim Parteitag im Mai.

Brüderle gilt schon jetzt als heimlicher Vorsitzender und gibt zum Leidwesen Röslers nicht selten die Marschrichtung der Partei vor. Bislang beteuert der Pfälzer seine Loyalität zum Chef. "Parteivorsitzende stützt oder stürzt man. Wir stützen Philipp Rösler", lautet ein Spruch von ihm. Die Übernahme des Führungspostens hat der 67-Jährige allerdings nie ausgeschlossen. Und in der Personaldebatte sprang er Rösler über die Feiertage nicht bei.

Auch Kubicki attackiert Rösler

Das Treffen mutet daher wie eine Art Sängerkrieg an. Doch die Akteure dürften sich bewusst darüber sein, dass zu Dreikönig jeder Halbsatz auf die Goldwaage gelegt wird und die Harmonie stören kann. Daher ist eher zu erwarten, dass sie sich lieber auf die Zunge beißen als zwei Wochen vor der bundespolitisch wichtigen Niedersachsenwahl die Personaldebatte anzuheizen.

Allerdings herrschte auch in den vergangenen Wochen weitgehend Einvernehmen in der Partei, sich auf die Sachpolitik zu konzentrieren. Doch dieses Ansinnen wurde immer wieder torpediert. Neben Niebel trug dazu auch der schleswig-holsteinische Fraktionschef Wolfgang Kubicki bei. In der "Leipziger Volkszeitung" beklagte er am Donnerstag, Rösler werde in der Öffentlichkeit nicht als Krisenmanager wahrgenommen.

Sicher ist, dass Brüderle und Niebel die Bühne nutzen werden, um kräftig auf die Pauke zu hauen. In den Jahren zuvor hat Brüderle stets beim Parteitag der Südwest-FDP am Vortag den Saal zum Kochen gebracht. Und Niebel strotzt seit seiner überraschenden Kür zum Spitzenkandidaten in Baden-Württemberg vor Selbstvertrauen. Hinter seinen Attacken vermuten viele eigene Ambitionen. Rösler hingegen gilt als Freund der leiseren Töne. Die liberale Gemeinde muss er an Dreikönig von sich und seinen Visionen überzeugen. Erwartet wird, dass er sich vor allem auf die liberalen, ordnungspolitischen Grundwerte besinnen und zugleich auf Angriff schalten wird. Dabei dürfte es an Spitzen gegen die "Umverteilungspolitik" von SPD und Grünen nicht fehlen. Dass er kämpfen will, machte der 39-Jährige in mehreren Interviews deutlich. Der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" sagte er, über einen Rücktritt habe er nie nachgedacht. "In schwierigen Zeiten muss man die Nerven behalten."

Kommunikative Desaster zu Weihnachten

Die vergangenen zwei Wochen sind nicht gut für den einstigen Hoffnungsträger gelaufen. Ein über die Medien zugespieltes Positionspapier des Wirtschaftsministers mündete zu Weihnachten in ein kommunikatives Desaster. In der Öffentlichkeit entstand der Eindruck, Rösler falle in Krisenzeiten zur Haushaltskonsolidierung nichts Besseres ein, als staatliches Tafelsilber zu veräußern und Kündigungsrechte einzuschränken. Plötzlich stand er als kalter Neoliberaler da. Parallel kamen die Störfeuer Niebels. Zu alldem wurde eine Umfrage bekannt, wonach 76 Prozent der FDP-Wähler Brüderle für den besseren Parteichef halten.

Die FDP und Rösler brauchen positive Schlagzeilen. Doch woher nehmen? Vieles erinnert an die Endphase von Röslers Vorgänger Guido Westerwelle. Rösler kann anfassen, was er will, irgendwer arbeitet sich immer an ihm ab. "Er könnte über das Wasser laufen, und es würde heißen: Er kann nicht schwimmen", sagen enge Verbündete. Echte Rückendeckung ist in der Partei derzeit Mangelware.

Als nahezu sicher gilt, dass Rösler bei einem Ergebnis unter fünf Prozent in seiner niedersächsischen Heimat nicht zu halten sein wird. Wohl kaum aus dem Amt zu drängen wäre er hingegen bei einem Resultat um die sieben Prozent. Kritisch würde es, wenn die FDP mit Hängen und Würgen in den Landtag zöge. Röslers Schicksal dürfte dann mit davon abhängen, ob die FDP in Hannover weiter mitregieren kann. Rösler weiß, dass er so tief wie nie seit Amtsantritt im Mai 2011 in den Abgrund blickt. Die Frage einer erneuten Kandidatur lässt er auf Nachfrage offen. Noch klammern sich die Liberalen an das Prinzip Hoffnung. Ein kurzer, knackiger Wahlkampf soll die Stimmung wenden. Innerhalb von neun Tagen will Rösler bei sechs Kundgebungen auftreten. Das Kalkül: Die Wähler der Liberalen entscheiden sich meist erst spät. Außerdem nehme er in Niedersachsen keine Wechselstimmung von Schwarz-Gelb wahr.

Der FDP-Ehrenvorsitzende in Schleswig-Holstein, Jürgen Koppelin, springt unterdessen seinem Parteichef bei und weist dessen Kritiker in die Schranken. "Die Mannschaft ist hervorragend. Philipp Rösler ist ein hochanständiger Mann. Er ist mein Freund", verkündet Koppelin in der ARD. Den Kritikern Röslers wirft er vor, selbst nicht teamfähig genug zu sein. Daran fehle es dem einen oder anderen in der FDP, meint Koppelin, der Rösler zugleich bescheinigt, als Wirtschaftsminister gute Arbeit zu leisten.