Justizministerin will Rechtssicherheit schaffen. Nach öffentlicher Debatte über rituelle Beschneidung, entscheidet heute der Bundestag.

Berlin. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wirbt unmittelbar vor den abschließenden Beratungen im Bundestag für die Regierungspläne zur Regelung ritueller Beschneidungen. Es solle gewährleistet werden, was in Deutschland für Muslime und Juden immer möglich gewesen sei, sagte die Ministerin am Mittwochmorgen im Deutschlandfunk. Im ZDF-„Morgenmagazin“ betonte die FDP-Politikerin: „Es gibt keinen Staat, in dem Beschneidung verboten ist.“

Die Bundesregierung will mit dem Gesetz Rechtssicherheit schaffen, nachdem das Kölner Landgericht in einem Urteil vom Juni den Eingriff als Körperverletzung gewertet hatte. Die Entscheidung hatte zu massiven Protesten bei Juden und Muslimen geführt.

Der Bundestag entscheidet am Nachmittag in Berlin über das Beschneidungsgesetz. Der Entwurf der Bundesregierung sieht vor, den bei Juden und Muslimen üblichen Eingriff bei Jungen unter bestimmten Voraussetzungen von Geburt an zu ermöglichen. Daneben liegt den Parlamentariern ein alternativer Entwurf von Oppositionspolitikern vor, der Beschneidung unter Berufung auf das Recht des Kindes erst ab dem 14. Lebensjahr erlauben würde.

Aus den Reihen von Union und FDP wird mit breiter Zustimmung für den Entwurf der Justizministerin gerechnet. SPD, Grüne und Linkspartei sind bei dem Thema gespalten.

In einem Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Mittwochsausgabe) kritisierte Unions-Fraktionsvize Günter Krings (CDU) den Antrag aus der Opposition. „Damit würde jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland unzumutbar erschwert“, sagte Krings.

Leutheusser-Schnarrenberger sagte im Deutschlandfunk, die Regierung sei keinerlei Druck seitens der Religionsgemeinschaften gefolgt. Allerdings sei die Regierung überzeugt, dass die Religionsausübung in Deutschland für Menschen aller Glaubensrichtungen frei und ohne Eingriff des Staates möglich sein müsse. Die „Regeln der ärztlichen Kunst“ müssten indes bei Beschneidungen selbstverständlich der Maßstab sein.

Die Beschneidungs-Debatte hat nach Ansicht des Mainzer Rabbiners Julian-Chaim Soussan die öffentliche Wahrnehmung des Judentums in Deutschland verändert. „Man hat von Rechts wegen die Erlaubnis bekommen, auch mal über die Juden zu schimpfen“, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (EPD): „Zum ersten Mal kann man Vorwürfe gegen Juden erheben, ohne als Antisemit abgestempelt zu werden.“ Von dieser Möglichkeit machten nun verschiedene Kräfte Gebrauch. Viele Rabbiner-Kollegen seien angezeigt worden, weil sie angekündigt hatten, auch weiterhin beschneiden zu wollen.

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger beklagte antisemitische und rassistische Äußerungen in der öffentlichen Auseinandersetzung. Die Debatten im Bundestag indes seien „sehr angemessen“ gewesen, sagte sie im ZDF. Für den Nachmittag erwarte sie noch einmal eine „Sternstunde der Beratungen“.