Sigmar Gabriel bezeichnet die Koalitionspläne der Lebensleistungsrente als Zynismus. SPD will Streitthema Rente bei Parteikonvent abräumen.

Berlin. Im Kampf gegen die Altersarmut setzt CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe auf einen parteiübergreifenden Konsens. Kurz vor dem SPD-Parteikonvent appellierte Gröhe an die Sozialdemokraten, sich Gesprächen über die Rente nicht zu verweigern.

„Es wäre es für die Verlässlichkeit des Rentensystems gut, wenn es für weitere Reformschritte einen möglichst breiten Konsens gibt“, sagte er der in der Bielefeld erscheinenden „Neuen Westfälischen“ . SPD-Chef Sigmar Gabriel warb unterdessen noch einmal für das Konzept seiner Partei, das am Samstag auf dem kleinen Parteitag beschlossen werden soll.

Gabriel versicherte, dass die SPD dafür sorgen werde, dass das Rentenniveau nicht unter 50 Prozent sinken werde. Die Rentenversicherung gehe ohnehin von 48 Prozent aus und die SPD wolle mit ihrem Rentenkonzept für die verbleibenden zwei Prozentpunkte sorgen. Gabriel fügte hinzu: „Sie werden die Altersarmut nicht bekämpfen, wenn Menschen nicht auch im Erwerbsleben anständige Löhne bekommen.“ Die Pläne von Bundesarbeitsministerien Ursula von der Leyen (CDU) für die sogenannte Lebensleistungsrente bezeichnete er dagegen als Zynismus.

Auf dem Treffen der Partei in Berlin wollen die Sozialdemokraten das jahrelange Streitthema Rente abräumen. Für Diskussionen hatte unter anderem das Rentenniveau gesorgt. Nach jetziger Gesetzeslage darf das Rentenniveau bis 2020 nicht unter 46 und bis 2030 nicht unter 43 Prozent sinken. Ein erster Entwurf für das Konzept sah vor, daran festzuhalten.

Nahles erachtet SPD-Rentenstreit als beigelegt

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles äußerte sich zuversichtlich, dass der Rentenstreit nun befriedet sei. „Wir haben ein tragfähiges Gesamtkonzept und sind damit für die Bundestagswahl gut aufgestellt“, sagte sie. „Die Kernelemente sind eine Solidarrente von mindestens 850 Euro, die abschlagsfreie Rente nach 45 Jahren Arbeit und deutliche Besserungen für Erwerbsgeminderte“, erläuterte Nahles. Wer sein Leben lang gearbeitet, für Kinder gesorgt und Angehörige gepflegt habe, dürfe im Alter nicht bedürftig werden. „Der Schutz vor Altersarmut ist ein Frage der Würde und der Solidarität“.

Nahles zeigte sich „optimistisch“, dass das Konzept vom nichtöffentlich tagenden Parteikonvent beschlossen wird. „Wir haben viel diskutiert und stehen nun geschlossen da mit einem guten Ergebnis.“

Auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück betonte am Donnerstagabend in Berlin: „Ich habe mit diesem Rentenkonzept keine Schwierigkeiten.“ Entscheidend sei für hin, dass die Rentenreform „nicht infrage gestellt werde“.

Nur wenige Rentner haben 40 Beitragsjahre

Gröhe bewertete die Pläne der Sozialdemokraten hingegen skeptisch. Er warf der SPD vor, nichts mehr von der Rente mit 67 wissen zu wollen und wichtige Entscheidungen „auf den Sankt Nimmerleinstag“ zu verschieben. Hinzu kämen weitere Vorschläge, die die Beitragszahler aus Sicht Gröhes mit Milliardenbeträgen belasten würden. „Das ist selbst für eine Oppositionspartei starker Tobak“, sagte er. Zugleich erinnerte an die Zeit der Großen Koalition, „wo wir gemeinsam mit Franz Müntefering wichtige und mutige Schritte zur langfristigen Sicherung der Rente unternommen haben.“

Die Koalition plant eine Lebensleistungsrente, deren genaue Ausgestaltung aber noch nicht feststeht. Sicher ist, dass Bezieher geringer Arbeitseinkommen, die privat vorgesorgt haben und mindestens 40 Beitragsjahre vorweisen können, künftig eine Rente oberhalb der Grundsicherung bekommen sollen.

Wie die „Saarbrücker Zeitung“ unter Berufung auf eine Stellungnahme der Bundesregierung berichtet, würden allerdings nur wenige davon profitieren. Demnach konnten die Männer, die im Vorjahr bundesweit neu in Rente gingen, nur eine durchschnittliche Beitragszeit von 38,9 Jahren vorweisen. Bei den Frauen war die Differenz noch deutlich großer: Sie kamen im Schnitt auf lediglich 29,87 Beitragsjahre, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag. Nach aktuellem Stand erfüllt lediglich die Gruppe der ostdeutschen Männer die Voraussetzung für die geplante Aufstockung von Mini-Renten.