Ein Jahr Aufklärungsarbeit haben Öffentlichkeit, Parlamente und Co. nach dem Auffliegen der NSU-Terrorgruppe hinter sich. Kritik bleibt.

Erfurt. Ein Jahr nach dem Auffliegen der NSU-Terrorzelle hält die Kritik an den Sicherheitsbehörden an. Die Thüringer Linke sieht keine konsequente und vorbehaltlose Ermittlungsarbeit. Deutschland tue sich sehr schwer mit der Aufklärung eines seiner größten Sicherheitsskandale, sagte Landesvorsitzender Knut Korschewsky am Freitag. Akten würden vernichtet oder den Untersuchungsausschüssen vorenthalten. Bisher gebe es nur erste Details, wie Sicherheitsbehörden auf der ganzen Linie versagt hätten. Geheimdienste seien kein Mittel gegen Rechtsextremismus und sollten daher abgeschafft werden. Dieter Lauinger, Landessprecher der Thüringer Bündnisgrünen, sagte: „Wir schulden den Hinterbliebenen die Entschuldigung der Ermittlungsbehörden und des Staates.“

Unzufrieden äußerten sich auch Mobile Beratungsbüros gegen Rechtsextremismus aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Es müsse endlich eine gesamtgesellschaftliche Debatte zu Ursachen und zur Ächtung von rechtem Terror und Rassismus geben, verlangten Vertreter der Organisationen in Dresden. Bislang sei man zu sehr mit dem technischen Versagen von Polizei und Verfassungsschutz beschäftigt, sagte Pascal Begrich vom Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit aus Sachsen-Anhalt. Zudem fehle es an Anerkennung der zahlreichen Initiativen, die sich dem Kampf gegen Rechtsextremismus verschrieben haben. Er bezeichnete es gleichzeitig als „absurd“, dass nun die Sicherheitsbehörden gestärkt werden sollten, die bei der Suche nach dem NSU versagt hätten.

Die Gruppe namens Nationalsozialister Untergrund (NSU) soll von 2000 bis 2007 zehn Menschen ermordet haben – darunter acht türkischstämmige Kleinunternehmer. Die mutmaßlichen Haupttäter, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, erschossen sich am 4. November 2011 bei Eisenach in einem Wohnmobil. Gegen die Überlebende des Trios, Beate Zschäpe, soll in Kürze Anklage erhoben werden. Die Gruppe hatte jahrelang unentdeckt in Sachsen gelebt.

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sprach sich für ein gemeinsames Extremismus-Abwehrzentrum von Verfassungsschutz und Polizei aus. Er warnte davor, beide Behörden zu verunglimpfen. Die Mitarbeiter verdienten es nicht, dass ihre Arbeit ständig abgewertet werde, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag).

In Thüringen forderte Landtagspräsidentin Birgit Diezel (CDU) Antworten auf „die vielen offenen Fragen“. „Es muss kritisch und mit großem Nachdruck hinterfragt werden, warum die Sicherheitsbehörden den Tätern trotz der großen Anzahl der begangenen Straftaten nicht eher das Handwerk legen könnten“, sagte sie.

Die in Dresden zusammengekommenen Initiativen sahen die Arbeit der Untersuchungsausschüsse kritisch. Der Anfang des Jahres eingerichtete Untersuchungsausschuss in Thüringen hat nach Angaben Diezels bisher in 19 Sitzungen 44 Zeugen gehört und 5000 Akten erhalten, darunter 4000 aus dem Bereich des Innenministeriums und 1000 von der Justiz. Das Gremium werde zu Jahresbeginn einen Zwischenbericht vorlegen. Er hatte sich bisher nur mit der Zeit bis zum Untertauchen des Trio im Januar 1998 befasst. Am 26. Januar 1998 hatte die Polizei eine Bombenwerkstatt der drei Rechtsterroristen in Jena ausgehoben.

Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) wehrte sich gegen ein braunes Image der Stadt. Sie sei wie andere Städte auch „ein buntes Tuch, auf dem es leider auch braune Flecken gebe“, sagte er MDR Figaro. Es gebe eine kritische Aufarbeitung, die noch nicht abgeschlossen sei.