Ex-Bundesrichter Gerhard Schäfer soll für den Neonazi-Ausschuss im Bundestag kistenweise ungeschwärzte Akten aus Thüringen sichten.

Berlin. Der ehemalige Bundesrichter Gerhard Schäfer wird neuer Ermittlungsbeauftragter für den Neonazi-Untersuchungsausschuss im Bundestag. Das Gremium verständigte sich am Donnerstagabend mit dem Juristen auf eine Zusammenarbeit, wie der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) nach einem Treffen mit Schäfer verkündete. Der 75-Jährige soll gemeinsam mit einem Team hunderte Ordner mit ungeschwärzten Akten aus Thüringen sichten. Offiziell eingesetzt wird er bei der nächsten Ausschusssitzung Anfang November.

Die Thüringer Landesregierung hatte dem Ausschuss fast 800 Ordner mit Unterlagen überstellt. Noch einmal so viele sollen folgen. Die Aktenlieferung aus Erfurt hatte für Empörung bei Verfassungsschützern und Innenministern gesorgt. Sie befürchteten, dass dadurch sensible Informationen zur rechten Szene an die Öffentlichkeit gelangen könnten.

Schäfer soll die Papiere nun vorab sichten und im Zweifel Passagen schwärzen, bevor sie an die Abgeordneten gehen. Edathy nannte zwei bis drei Monate als Zeitraum für die Aufgabe. Spätestens Mitte November sollen Schäfer und sein Team an die Arbeit gehen.

Edathy sagte, Schäfer sei erfahren, kompetent und kenne sich mit der Materie aus. Der Ausschuss sei sehr zufrieden, dass der frühere Bundesrichter die Aufgabe übernehme. Schäfer hatte zuletzt in Thüringen nach Fehlern der dortigen Sicherheitsbehörden im Fall der rechtsextremen Terrorzelle NSU geforscht.

Der Untersuchungsausschuss im Bundestag befasst sich seit Jahresbeginn mit den Morden des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) und den Pannen bei der Aufdeckung der Verbrechen. Der Terrorzelle werden in den Jahren von 2000 bis 2007 zehn Morde an türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern und einer Polizistin zur Last gelegt. Erst im November 2011 flog die Bande auf. Die Ermittler erkannten bis zuletzt den rechtsextremen Hintergrund der Taten nicht.

Bei der Sitzung des Untersuchungsausschusses am Donnerstag sagte der Vizepräsident des Bundeskriminalamts aus und räumte Fehler bei den Ermittlungen ein. „Ob der Ansatz, der gewählt wurde, ausreichend breit war, darüber muss man nachdenken“, sagte Jürgen Maurer. Die Behörden hätten sich unter Umständen zu früh in ihrem Blick begrenzen lassen und zu sehr auf die Hypothese konzentriert, hinter den Taten steckten Strukturen der organisierten Kriminalität. Ein Grundproblem bei der Polizei sei, „dass wir zu schnell glauben, dass wir uns auf eine Richtung festlegen müssen“.

Maurer selbst hatte früh auf einen möglichen rechtsextremen Hintergrund der Taten hingewiesen. Von einer rechtsterroristischen Organisation sei aber auch er damals nicht ausgegangen, räumte er ein. Er habe lediglich einen fremdenfeindlichen Fanatiker vermutet. „Ich habe falsch gelegen.“

Edathy sagte, die Fokussierung der Behörden auf organisierte Kriminalität sei damals ein schwerer Fehler gewesen. Maurer sei einer der wenigen gewesen, die einen fremdenfeindlichen Hintergrund für möglich gehalten hätten.

Bald soll auch der frühere Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor dem Untersuchungsausschuss aussagen. Die Befragung des heutigen Finanzministers sei für den 30. November geplant, sagte Edathy am Rande der Sitzung. Schäuble war von 2005 bis 2009 Chef des Innenressorts.