CSU-Chef Seehofer stellt erneut Wandlungsfähigkeit unter Beweis: Er geht in der Euro-Krise auf Kanzlerin Merkel zu – und macht erstmals den Griechen Hoffnung auf mehr deutsches Geld. Warum? Das ist nicht mal allen in der engeren CSU-Spitze ganz klar.

München. Es sind tolle Tage für CSU-Chef Horst Seehofer. Passgenau zum Parteitag in München sieht eine Umfrage die CSU um die 50 Prozent – zumindest bei einer Bundestagswahl. Der hoch erfreute Ministerpräsident Seehofer ist von solchem Großmut erfüllt, dass er erstmals sogar den Griechen mehr Geld in Aussicht stellt.

Sollte die EU-Troika zu dem Ergebnis kommen, dass Athen mehr Hilfe braucht, will Seehofer mit sich reden lassen: „Sollte dieser Zweitakter dabei sein, werden wir darüber reden.“ Das ist eine Abkehr von der bisherigen Linie – Seehofers Kollegen in der CSU-Spitze reagieren teils überrascht, teils konsterniert.

Seehofer sieht es als seine historische Mission, die CSU zu alter Stärke zurückzuführen – wobei „alte Stärke“ das Codewort für die absolute Mehrheit ist. Diesem Ziel scheint die CSU zum Greifen nah. Bei einer Landtagswahl würde die CSU derzeit 48 Prozent erzielen, bestätigt die neueste Umfrage, am Freitag von Sat.1 veröffentlicht. Dass die CSU bei einer Bundestagswahl sogar um die 50 Prozent liegt, wie eine andere repräsentative Umfrage ergab, wollte die CSU-Spitze eigentlich geheim halten – um nicht Abwehrreaktionen in der Bürgerschaft auszulösen.

Denn die Umfragen der vergangenen Monate deuten auch darauf, dass viele bayerische Wähler keine Rückkehr zur CSU-Alleinherrschaft wollen. Doch der frühere Parteichef Theo Waigel enthüllt das große Geheimnis eher beiläufig vor Beginn des Parteitags. „Die CSU würde bei einer Bundestagswahl zwei Punkte besser abschneiden als im Land“, sagt Waigel.

Seehofer scheint zu dem Schluss gekommen zu sein, dass die Chancen der CSU am größten sind, wenn sie im Schlepptau von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) segelt. In der Tat haben die CSU-Umfragewerte leicht zugelegt, seit Seehofer seine Dauerattacken gegen Berlin vor Beginn der Sommerpause einstellte. Drohte der alte Seehofer früher monatlich mit Koalitionsbruch, so macht Merkel aus Sicht des neuen Seehofer alles „goldrichtig“.

Auch in Europa läuft offenbar alles so glänzend, dass den Griechen nun Hoffnung auf neue Hilfe gemacht wird – was die CSU bis vor kurzem noch kategorisch ablehnte. „Die Bilanz führt zu dem Ergebnis, dass der Weg sehr positive Wirkung zeigt“, sagt Seehofer in die Kameras, während er vor den Toren der Münchner Messe in die strahlende Herbstsonne blinzelt.

Eigentlich verstand sich die CSU aufgrund ihrer hohen Wahlergebnisse immer als Lokomotive der Union – Seehofer will in den kommenden Wahlkämpfen offenbar Merkels Zugkraft auch für die CSU nutzen. Zwei Botschaften habe er an den Parteitag, sagt er. Botschaft Nummer eins: „Bayern blüht.“ Botschaft Nummer zwei: „Verantwortung für die politische Familie übernehmen.“ Das soll im Klartext bedeuten, dass CDU und CSU gemeinsam marschieren sollen und nicht im Zustand des Dauerkrachs. Diese neuerliche Wandlung haben aber viele noch nicht verstanden, wie Seehofer die Journalisten höflich wissen lässt. „Es wird verzweifelt versucht, in jede Äußerung von mir eine Diskrepanz zur CDU zu legen.“

Doch dass sich Seehofer in Sachen Griechenland so weit von der bisherigen CSU-Linie entfernt, verursacht einigen in der Partei Magenschmerzen. Mancher CSU-Politiker glaubt, dass die Rechnung eines Tages unvermeidlich fällig werden wird – und umso höher ausfallen wird, je länger Griechenland und andere Schuldenstaaten sowie marode Banken künstlich über Wasser gehalten werden.

Außerdem sind die Meinungen in der CSU-Spitze geteilt, ob Seehofers Andocken an Merkel wirklich Erfolg verspricht. Die hohen Umfragewerte verdanke die CSU ihrem bisherigen Widerstand gegen die schleichende Ausweitung der Euro-Rettungspakete, argumentieren mehrere Delegierte. Doch manche trösten sich mit dem Gedanken, dass auch Seehofers neuer Schmusekurs nicht von Dauer sein wird. „Das ändert sich auch wieder“, scherzt ein CSU-Spitzenpolitiker.