Eine Kampagne mit viel Witz verspricht der frischgekürte Kandidat. Auch die Popularität der Kanzlerin glaubt Steinbrück knacken zu können. Parteichef Gabriel gerät etwas in die Statistenrolle.

Berlin. Nein, er sei in die Aufgabe nicht hineingestolpert, sagt der frischgekürte SPD-Spitzenmann. „Das brauchte seine Reifezeit“, verrät Peer Steinbrück am Montag am Podium im Berliner Willy-Brandt-Haus. „Ich nehme das aber gerne an“, kommentiert er das einstimmige Votum des SPD-Vorstands.

Troika war irgendwie gestern. Bundestags-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier ist jedenfalls zu dem Auftritt erst gar nicht gekommen oder wurde nicht hinzugebeten. Nur Sigmar Gabriel und Steinbrück sind erschienen. Und letzterer macht schnell deutlich, dass die Rollen in der SPD ab sofort etwas anders verteilt sind.

Während Steinbrück schon die großen Linien für die kommenden Monate vorgibt, assistiert ihm der Parteichef eher als Stichwortgeber. Er springt nur energisch ein, wenn es etwas unangenehm wird. Etwa bei Fragen, ob die SPD-Führung die Öffentlichkeit in den vergangenen Wochen mit den Behauptungen in die Irre geführt hat, die K-Frage sei offen wie ein Scheunentor.

Man habe damit nicht gelogen, versichert Gabriel. Bis zum letzten Freitag habe nichts festgestanden. Die Presse solle sich doch bitte von der Vorstellung verabschieden: „Da sind drei Jungs, die kungeln das untereinander aus.“ So laufe das in der SPD nicht. Er selbst habe weiter Personalgespräche geführt – auch darüber, ob vielleicht nicht etwa eine Kanzlerkandidatin infrage komme, fügt Gabriel vielsagend hinzu.

Nachdem Steinmeier mit seiner Absage die bisherigen SPD-Winkelzüge um den Zeitplan abrupt beendet hatte, ist das alles ohnehin nur noch Geschichte. Steinbrück hält sich mit der Vergangenheit gar nicht erst auf. Er skizziert bereits detailliert, wie er Angela Merkel in einem Jahr aus dem Kanzleramt vertreiben möchte.

„Weder halbherzig noch überheblich“ will er ans Werk gehen. Dass es ihm dabei auch um Macht geht, streitet der 65-Jährige nicht ab: „Ich empfinde Macht auf Zeit nicht als etwas Unangenehmes.“ Noch habe er den Wahlkampf-Turbo aber nicht richtig aufgeladen oder bereits die „Ellenbogen ausgefahren“ – mit diesen Worten versucht Steinbrück den politischen Gegnern Angst einzujagen.

Eine Kampagne ohne die übliche Langeweile, dafür mit Lust und mit Witz verspricht er. Dann werde es weniger traditionelle Großveranstaltungen nach dem üblichen Muster geben: Erst Absingen von „Der Steiger kommt“, dann Frontal-Rede des Spitzenmanns, danach Abmarsch.

Offenbar schweben Steinbrück Rückgriffe auf die Kampagne von US-Präsident Barack Obama vor. Er werde seine Familie nicht verstecken, „aber sehr dosiert“ einsetzen. Sich selbst legt er zumindest bis zum Wahltag einige Selbstbeschränkungen auf: das Aufsichtsratsmandat bei ThyssenKrupp legt er nieder, das bei Borussia Dortmund will er nach Rücksprache mit dem Verein behalten.

Ab sofort will Steinbrück auch keine bezahlten Vorträge bei Großunternehmen, Banken oder Versicherungen mehr halten. Seine zahlreichen Auftritte mit üppigen Honoraren seit dem Ausscheiden aus dem Ministeramt hatten auch in der SPD für einigen Unmut gesorgt.

Eine klare Vorstellung hat Steinbrück bereits, wie er den Wahlkampf politisch anlegen will. Man dürfe nicht nur auf Kernwähler setzen. Die SPD müsse vielmehr versuchen, Wähler zurückzuholen, die sich auch wegen der Positionen abgewandt hätten, „die ich in der Vergangenheit und jetzt noch vertrete“. Es gehe aber auch darum, enttäuschte Anhänger von Schwarz-Gelb zu gewinnen.

Auch die große Popularität und das präsidiale Gehabe der Kanzlerin hält Steinbrück durchaus für zu knacken. Etwa indem man die „ganze Prinzipienlosigkeit“ der schwarz-gelben Koalition zum Zentrum der Auseinandersetzung mache. Das solle aber in einem Ton geschehen, der es möglich mache, mit CDU-Leuten auch hinterher noch ein Glas Wein zu trinken – ohne miteinander zu regieren.

Auch über andere Dinge des Bundestagswahlkampfs hat sich Steinbrück bereits konkrete Gedanken gemacht. Er will auf die Mittel in der SPD-Zentrale zurückgreifen, aber auch eigene Vertraute holen. Derzeit schaut er sich bereits nach einem Büroleiter und einem Pressesprecher um.

Eher zweifelhaft ist, ob Andrea Nahles die Regie für den Wahlkampf übernehmen wird. Diese Rolle habe die Generalsekretärin laut Parteisatzung, darauf weist Gabriel zwar extra hin. Doch wahrscheinlicher ist, dass sich der SPD-Chef zusammen mit Steinbrück die Richtlinienkompetenz für die Kampagne sichert.