Immer weniger junge Männer müssen zum Dienst. Richter sprechen von Willkür.

Köln. Die derzeitige Einberufungspraxis zum Wehrdienst ist nach Auffassung des Kölner Verwaltungsgerichts verfassungswidrig. In zwei Fällen setzte das Gericht die Einberufung von jungen Männern zum Grundwehrdienst aus, weil der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt sei, sagte ein Sprecher gestern und bestätigte damit einen "Handelsblatt"-Bericht. Hintergrund sind die deutlich sinkenden Zahlen von Grundwehrdienstleistenden. Es werde nicht mehr "umfassend und gleichmäßig" eingezogen. Das Kölner Gericht legte die Fälle dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vor, das nun prüfen soll, ob die Praxis mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Die beiden Beschlüsse des Verwaltungsgerichts stammen bereits vom Dezember 2008, waren aber damals nicht veröffentlicht worden (AZ: 8 K 5791/08 und 8 K 5913/08). In der Entscheidung heißt es: "Eine bürgerliche Pflichtengleichheit ist nur gewährleistet, wenn sichergestellt ist, dass Wehrpflichtige umfassend und gleichmäßig herangezogen werden." Das sei aber nicht mehr der Fall. Nur noch eine "Minderheit" leiste Wehrdienst, der Rest sei davon befreit. "So kann von einer gleichen Last für alle pflichtigen Bürger nicht mehr gesprochen werden", heißt es in dem Vorlagebeschluss. "Unter der vorherrschenden Einberufungswillkür haben junge Männer zu leiden, die sich in ihrem beruflichen Ausbildungsweg blockiert sehen", kritisierte der Verteidigungsexperte der SPD-Fraktion im Bundestag, Andreas Weigel.

Die Bundesregierung teilt dagegen die Bedenken der Kölner Verwaltungsrichter nicht. Maßstab für die Wehrgerechtigkeit sei nicht die gesamte Jahrgangsstärke, zitiert das Blatt aus einer Mitteilung an den Bundestag, "sondern nur der Teil, der nach dem Willen des Gesetzgebers für eine Heranziehung zum Grundwehrdienst zur Verfügung steht."

In der Kölner Entscheidung wird aber darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber die Tauglichkeitskriterien deutlich verschärft und die eingeschränkte Verwendungsfähigkeit abgeschafft habe. Nach der alten Rechtslage stünden in den kommenden Jahren zwischen 140 000 und 180 000 junge Männer pro Jahrgang für den Wehrdienst zur Verfügung. Im nächsten Jahr würden dagegen kaum noch 60 000 junge Männer in die Kasernen einrücken.

Dass immer weniger Grundwehrdienstleistende einberufen werden, entspricht dem politischen Willen. Für 2010 sehen die Planungen der Bundeswehr eine Personalstärke von rund 250 000 Soldaten vor, zu Zeiten des Kalten Krieges waren es rund eine halbe Million. FDP und Grüne fordern daher die Abschaffung der Wehrpflicht. Die SPD will grundsätzlich an ihr festhalten, nach einem Parteitagsbeschluss aber nur noch Freiwillige einziehen.