Union sperrt sich gegen Westerwelle-Vorstoß. Fraktionschef Kauder erinnert im Abendblatt an Zivildienst.

Hamburg. Zehn Wochen vor der Bundestagswahl ist zwischen den möglichen Koalitionspartnern Union und FDP ein Streit um die Zukunft der Wehrpflicht in Deutschland entbrannt.

Der Partei- und Fraktionschef der Liberalen, Guido Westerwelle, forderte für den Fall einer Regierungsbeteiligung die möglichst rasche Aussetzung der Wehrpflicht. Er bezeichnete es als "absolut unfair", dass die einen dienen müssten, während die anderen in dieser Zeit schon verdienen könnten. Wenn die Wehrpflicht nicht mehr gerecht organisiert werden könne, müsse die Bundeswehr in eine Freiwilligen- Armee umgewandelt werden, wie es die meisten Verbündeten - auch in Europa - bereits getan hätten, sagte er im Deutschlandfunk.

Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, widersprach.

"Die Wehrpflichtarmee hat sich bewährt", sagte der CDU-Politiker dem Hamburger Abendblatt. "Aus ihr rekrutieren wir auch unsere Berufssoldaten." Ohne Wehrpflicht gäbe es im Übrigen keinen Ersatzdienst. Kauder machte deutlich, dass die Union eine allgemeine Dienstpflicht für junge Leute ablehne.

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckart von Klaeden, ergänzte: "Die Wehrpflicht hat sich nicht nur bewährt, sondern ist auch aktive Sicherheitsvorsorge. Sie ist in den vergangenen Jahren immer wieder der veränderten Sicherheitslage angepasst und auch verfassungsgerichtlich überprüft worden." Daher könne Deutschland auf die Wehrpflicht nicht verzichten. Westerwelle schien zu ahnen, dass seine Forderung auf Widerspruch stoßen würde. Er wisse nicht, "ob es uns gelingt, das direkt am Anfang in einer Regierungskoalition mit der CDU/CSU durchzusetzen", sagte er in dem Interview. Gleichwohl setzte er das Thema zum Wahlkampfstart auf die Tagesordnung.

Seit 2002 ist in der Bundesrepublik der Grundwehrdienst - und auch der Zivildienst - auf neun Monate beschränkt. In der Politik flammt immer wieder Streit darüber auf, ob die Einberufungspraxis gerecht ist. 2007 wurden von rund 400 000 Achtzehnjährigen lediglich 67 834 eingezogen, was auch vom Verwaltungsgericht Köln gerügt wurde. Die Richter sehen die Wehrgerechtigkeit nicht gewahrt und wirken auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hin.

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) strebt an, den Anteil der Wehrpflichtigen, die eingezogen werden, langfristig auf annähernd 100 Prozent zu steigern.