FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle meint, die Vermögenden in Deutschland könnten mehr für das Allgemeinwohl tun. Hamburg als Vorbild.

Berlin. Die Schwäche des einen wird immer mehr zur Stärke des anderen. FDP-Chef Philipp Rösler gilt parteiintern als wachsendes Problem mit Blick auf die Bundestagswahl 2013. Die Frage, wer Spitzenkandidat für die Liberalen wird, gilt daher als noch lange nicht entschieden. Große Chancen hat der Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle. Der erfahrenste FDP-Mann in der Führungsriege der Partei kann die Basis begeistern. Obwohl er für Rösler das Amt des Bundeswirtschaftsministers aufgeben musste, ist seine wirtschaftspolitische Expertise in der Koalition weiter gefragt. Längst gilt der 67-jährige Rheinland-Pfälzer als der heimliche Parteivorsitzender.

Hamburger Abendblatt:

Herr Brüderle, wann waren Sie zuletzt in Griechenland?

Rainer Brüderle:

Ich war mehrfach im Urlaub in Griechenland, zum Beispiel auf Rhodos und auf Kreta. Aber mein letzter Griechenland-Urlaub liegt bestimmt zehn Jahre zurück.

Was mögen Sie an dem Land?

Brüderle:

Die Griechen sind sehr freundlich. Das Klima ist angenehm. Und die Gastfreundschaft ist besonders. Gerade in den ländlichen Regionen kann man in kleinen Lokalen in die Küchen gehen und dort sein Essen zusammenstellen. Das hat mir immer sehr gut gefallen.

Welchen Eindruck haben Sie von den bisherigen Reformbemühungen des Landes?

Brüderle:

Man kann feststellen, dass das Land - auch durch die zwei Wahlen in diesem Jahr - nicht im Zeitplan ist. Längst nicht alle Reformzusagen sind umgesetzt worden. Auch die wirtschaftliche Erholung stockt.

Könnte Europa einen Austritt Griechenlands aus dem Euro verkraften?

Brüderle:

Politisch wäre das nicht wünschenswert, ökonomisch wäre es wahrscheinlich verkraftbar. Durch die Rettungsschirme EFSF und bald auch ESM und dadurch, dass die Banken und Versicherungen ihre Forderungen an Griechenland weitgehend bereinigt haben, ist der Markt gewappnet. Aber die Entscheidung treffen die Griechen selbst. Europa hat mit rund 200 Milliarden Euro großzügig geholfen. Wir sehen mit Sorge, wie stark Kapital aus dem Land ins Ausland gebracht wurde, insbesondere durch die griechische Oberschicht.

Muss man notfalls an Griechenland ein Exempel statuieren, wie es aus der CSU heißt?

Brüderle:

Martialische Sprüche dienen der Sache nicht. Klar ist, dass Europa nicht unbegrenzt Solidarität zeigen kann, wenn die erwarteten Gegenleistungen nicht erbracht werden.

+++ Sparsame Spender +++

Werden wir eines Tages in Deutschland eine Volksabstimmung über die Zukunft Europas erleben?

Brüderle:

Wir können an einen Punkt kommen, an dem eine Volksabstimmung über Europa notwendig wird. Wir Liberale waren immer für eine europäische Verfassung. Die weitere Entwicklung der Schuldenkrise wird zeigen, wie stark die EU-Länder zur Aufgabe von Souveränität aufgefordert sind. Wir brauchen auf jeden Fall gemeinsame Mechanismen, etwa im Umgang mit den Banken. Im September wird uns auch das Bundesverfassungsgericht sagen, in welchen Punkten die Grenzen des Grundgesetzes erreicht werden.

Je tiefer Europa im Schuldensumpf steckt, desto lauter wird der Ruf nach höheren Abgaben für gut Betuchte. Tragen Reiche jetzt eine besondere Verantwortung für Europa?

Brüderle:

Fällt den Sozialdemokraten etwas ein, muss es eine Steuererhöhung sein. Diese Diskussion führt zu nichts. Über 50 Prozent der Steuerlast wird von nur zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland getragen. Wichtiger ist, dass wir weiter in Richtung Vollbeschäftigung marschieren. Das ist soziale Gerechtigkeit.

Eine Reihe deutscher Millionäre will aber höhere Steuern zahlen.

Brüderle :

Wir hindern niemanden, mehr zu zahlen. Ich teile jedem gern die Kontonummer des Finanzministers mit. Jeder ist herzlich eingeladen, mehr zu tun, als er muss. Uns Liberalen geht es um etwas anderes: Verantwortung für die Gesellschaft kann man nicht ans Finanzamt delegieren. Gerade hier in Hamburg haben privates Engagement und gemeinnützige Stiftungen eine große Tradition. Das sollte für Vermögende in ganz Deutschland Vorbild sein.

Die Euro-Rettung ist das beherrschende Thema der deutschen Politik. Wird sich daran die Bundestagswahl 2013 entscheiden?

Brüderle:

Ich vermute, dass die Sorge um die Stabilität unserer Währung im kommenden Jahr noch sehr stark sein wird. Aber auch der Erhalt der demokratischen Strukturen wird ein Thema sein. Das politische Interesse und Wahlbeteiligungen nehmen ab, die Mitgliederzahlen der Parteien sinken.

Womit will die FDP 2013 beim Wähler punkten?

Brüderle:

Ich spreche immer von den Brot-und-Butter-Themen: Dazu gehören Geldwertstabilität, Soziale Marktwirtschaft, Bildung und Europa.

Sollte Ihre Partei mit einer Koalitionsaussage ins Rennen gehen?

Brüderle:

Darüber entscheiden zu gegebener Zeit die Gremien. Aber warum sollen wir die erfolgreiche Koalition mit der Union nicht fortsetzen?

Eine Wiederauflage von Schwarz-Gelb wird schwierig. Wie stark muss sich die FDP gegenüber SPD und Grünen öffnen?

Brüderle :

Das sehe ich anders. Deutschland wird erfolgreich regiert und steht in Europa und der Welt gut da. Die christlich-liberale Koalition hat gute Chancen, wiedergewählt zu werden. Rot-Grün setzt mit Euro-Bonds auf Schuldensozialismus. Damit entfernt die SPD sich aus der Mitte und öffnet sich nach links.

Aber mit einem konservativen SPD-Kanzler Steinbrück könnten Sie sich vorstellen zu regieren, oder?

Brüderle:

Ich werde mich nicht in den permanenten Kürlauf der SPD um die Kanzlerkandidatur einmischen. Die ständige Selbstvermarktung der drei Kandidaten Gabriel, Steinbrück und Steinmeier läuft nach dem Motto: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der schönste Sozi im Land? Ich wünsche der SPD die Kraft, langsam zu einer Entscheidung zu kommen.

Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki hält die Fixierung auf die CDU für einen dramatischen Fehler. Fakt ist, dass die Union in der Koalition punktet, die FDP aber nicht beliebter wird.

Brüderle:

Es geht nicht um die Beliebtheit, sondern um die richtigen Entscheidungen. Unser klarer Kurs gegen rot-grüne Schuldenpolitik hat sich doch bei den Wahlen in Schleswig-Holstein und NRW ausgezahlt. Wir sollten nicht die Union zu unserer Klagemauer machen. Wir lösen unsere Probleme selbst.