Fast 900 Fälle. Hamburgs Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) ist an neuer Daten-CD aus Nordrhein-Westfalen interessiert.

Hamburg. Der Hamburger Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) hat großes Interesse an den Steuer-CDs signalisiert, die das Land Nordrhein-Westfalen jetzt offenbar angekauft hat. Die Datensätze sollen nicht nur viele Scheinstiftungen entlarven, sondern auch Schulungsmaterial, wie Schweizer Banker Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisten.

Tschentscher betonte gegenüber dem Abendblatt, er sei trotz des möglichen Steuerabkommens mit der Schweiz dafür, Daten über Steuersünder aufzukaufen. Mit Blick auf den aktuellen Fall sagte er: "Sollte es tatsächlich zu einem Ankauf einer weiteren CD durch Nordrhein-Westfalen kommen, wird sich Hamburg auch daran beteiligen. Wir haben kein Interesse daran, Straftäter entkommen zu lassen."

+++ "Wir hindern niemanden, mehr zu zahlen" +++

Medienberichten zufolge hat das größte deutsche Bundesland zwei neue CDs gekauft, die Daten vor allem von Kunden der Schweizer Großbank UBS enthalten. Steuerfahnder sprachen von einem "richtig dicken Ding". Offiziell bestätigte der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) den Ankauf zwar nicht. Er hatte aber erst am Mittwoch nochmals bekräftigt, dass er den Ankauf neuer Steuersünderdateien nicht ausschließe. Die Staatsanwaltschaft Bochum dagegen bestätigte gestern, sie habe eine neue CD mit Daten erhalten und ermittele wegen Steuerhinterziehung inländischer Anleger.

Seit dem spektakulären Fall des ehemaligen Postchefs Klaus Zumwinckel 2008 haben die Bundesländer nach Angaben der Hamburger Finanzbehörde für 12,4 Millionen Euro fünf Schweizer Steuer-CDs angekauft. Daran hat sich Hamburg mit 157 000 Euro beteiligt. Das hat sich als einträgliches Geschäft erwiesen, denn mit Stand 1. August haben sich 888 Steuerhinterzieher in Hamburg selbst angezeigt - aus Sorge, ihr Name könnte auf einer der CDs stehen. Per 24. Juli waren es 879 Selbstanzeigen - im Schnitt gibt es also pro Tag mindestens eine Anzeige.

Bisher wurden in Hamburg rund 360 Millionen Euro Kapitaleinkünfte nachversteuert, was der Stadt Mehreinnahmen von 60 Millionen Euro eingebracht hat. Nochmals mindestens die gleiche Summe konnte die Stadt zudem an den Bund und die anderen Bundesländer weiterleiten - denn Steuern verbleiben nicht komplett in dem erhebenden Bundesland, sondern werden "zerlegt" und verteilt. Würde man allein die 60 Millionen Euro Mehreinnahmen in Relation zu den investierten 157 000 Euro setzen, ergäbe sich für den Finanzsenator eine Rendite von mehr als 38 100 Prozent. Allein 2010 - jüngere Zahlen liegen noch nicht vor - wurden in Hamburg 301 Steuerhinterzieher rechtskräftig verurteilt. Sie hatten 74,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen, die sie zurückzahlen müssen. Hinzu kommen Zinsen und eine Strafe.

Der jetzt bekannt gewordene Ankauf von Steuerdaten durch Nordrhein-Westfalen bringt auch neuen Zündstoff in den politischen Streit über das deutsch-schweizerische Steuerabkommen. Dieses gehöre "endlich in den Papierkorb", forderte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß in Berlin. Die von SPD und Grünen regierten Bundesländer wollen das von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ausgehandelte Abkommen im Bundesrat blockieren, weil es Steuerbetrüger als Gegenleistung für eine geringe Einmalzahlung vor Nachforschungen bewahre.