Außenminister Frank-Walter Steinmeier will Zuversicht verbreiten, aber alle interessieren sich nur für die verbannte Gesundheitsministerin.

Berlin. Es dauert eine halbe Stunde, bis die Rede auf die abwesende "Frau Schmidt" kommt. Die Genossin, mit der der Kanzlerkandidat seit Jahren per Du ist, zu der er aber an diesem speziellen Tag eine gewisse Distanz herstellen will. Wegen der Dienstwagen-Affäre, die die Medien seit Tagen deutlich mehr beschäftigt als die Vorstellung des SPD-Schattenkabinetts.

Dabei könnte alles so schön sein. Der Templiner See bei Potsdam glitzert in der Sonne, die alten Eichen spenden wohltuenden Schatten. Und trotzdem wirkt die Szene seltsam gelähmt. Auf der Bühne, die im Hotelgarten aufgebaut ist, stehen Frank-Walter Steinmeier und Parteichef Franz Müntefering. Die Mission der beiden Männer: endlich ein Aufbruchssignal auszusenden.

Nach dem Motto: "Wir sind vorbereitet, und jetzt geht es los!" Ihr Problem: die am Vorabend zum vorläufigen Rückzug genötigte besagte Frau Schmidt. Die amtierende Bundesgesundheitsministerin, die an diesem für die SPD so wichtigen Tag nicht für einen Missklang sorgen soll und im Prinzip doch die einzige Person ist, die die anwesenden Journalisten beschäftigt. Und das, obwohl an diesen Nachmittag doch endlich das "Team Steinmeier" vorgestellt wird. Ein Team, das nach den Worten des Kanzlerkandidaten für "Weltoffenheit", "Zukunft" und "Tradition" stehen soll.

Zwei Stunden zuvor haben sich die zehn Frauen und acht Männer zum Gruppenfoto aufgestellt. Alle erdenklichen Themenfelder sind besetzt worden: Medien-, Behinderten- und Integrationspolitik, Verbraucher- und Anlegerschutz und selbstverständlich auch die Großbereiche Innen, Außen, Verteidigung, Wirtschaft, Arbeit und Soziales und Finanzen. Nur die Gesundheit bleibt vakant. Man werde Ulla Schmidt den Posten so lange freihalten, bis die Vorwürfe ausgeräumt seien, heißt es. "Frau Schmidt" müsse jetzt die Möglichkeit erhalten, ihre Fakten zu präsentieren. "Respektieren wir doch miteinander das vereinbarte Verfahren", sagt der Kanzlerkandidat. Und lächelt.

Überhaupt versucht Steinmeier allen Kalamitäten zum Trotz, Zuversicht und Optimismus zu verbreiten. "Sie sehen einen gut gelaunten Kanzlerkandidaten der SPD", ruft er den Journalisten zu. Und: "Ich bin rundum zufrieden!" Ein Blick auf den neben Steinmeier stehenden Franz Müntefering zeigt, dass das hier nicht für alle gilt. Fast versteinert schaut der Parteivorsitzende in die Eichen. Keine Spur vom Schwung der ersten Wochen, nachdem man ihn zurückgeholt hatte. Nachdem man den glücklosen Kurt Beck am Schwielowsee geopfert und Steinmeier zum Kanzlerkandidaten ausgerufen hatte.

Zehn Monate nach jenem Septembertag sagt Steinmeier denselben Satz, den er damals gesagt hat: "Wir spielen nicht auf Platz, wir spielen auf Sieg." Überhaupt scheint die Zeit stehen geblieben: wieder eine brandenburgische Seekulisse, die gleichen deprimierenden Umfrageergebnisse und dazu eine Parteispitze, die nicht weiß, wie sie das Ruder herumreißen soll.

Aber geht das überhaupt mit diesem Team? Wer nie in Brandenburg gewesen ist, hat den Namen des Mannes noch nie gehört, der in Steinmeiers Equipe für das Landwirtschaftsressort vorgesehen ist. Wer sich nie mit den Ausschussbesetzungen im Deutschen Bundestag beschäftigt hat, dem sagt der Name von Dagmar Freitag nichts, die sich in Steinmeiers Auftrag um Sportpolitik kümmern soll. Und wer den SPD-Generalsekretär kennt, kann nur staunen, dass Hubertus Heil sich um die Neuen Medien kümmern soll. Als gäbe es für ihn nichts Wichtigeres.

Steinmeier hat für alle freundliche Worte parat. Natürlich gehöre Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zu seinem Team, genauso wie Arbeitsminister Olaf Scholz, Finanzminister Peer Steinbrück, Umweltminister Sigmar Gabriel und Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Nicht zu vergessen Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee. Diese SPD-Minister seien der "Motor" der Großen Koalition, sagt Steinmeier und fügt hinzu: "Wir wollen kein einfaches Weiter-so, wir wollen den Aufbruch zum Besseren!"

Zu diesem Aufbruch gehört aus Sicht des Kandidaten auch der "Mut", das Verteidigungsministerium im Ernstfall einer Frau anzuvertrauen: Ulrike Merten aus Bielefeld. Als am Ende die naheliegende Frage gestellt wird, ob man die Bereiche Bildung, Sport und Wissenschaft wohl separiert habe, um mehr Frauen im Schattenkabinett unterbringen zu können, schüttelt Wahlkampfmanager Kajo Wasserhövel im Hintergrund genervt den Kopf. Das letzte Wort hat Franz Müntefering. Er sagt: "Das ist 'ne Profitruppe, die hier zugange ist."