Die Karlsruher Richter segnen die Gesundheitsreform ab. Die privaten Krankenversicherer sind mit ihren Klagen gegen den Basistarif gescheitert. Ulla Schmidt darf jubeln.

Karlsruhe/Berlin. Zwei Jahre ist das Mega-Projekt Gesundheitsreform nun in Kraft. Es wurde seitdem weiter an ihr herumgedoktert, der Gesundheitsfonds verändert, manche Proteste gehört, manche kalt niedergeschlagen. Auch die umstrittenen Regelungen zur privaten Krankenversicherung werden bleiben. Das Bundesverfassungsgericht wies die Verfassungsbeschwerden von fünf privaten Krankenversicherungen und drei Privatpersonen zurück (AZ: 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08, 1 BvR 837/08). Die Privatversicherer hatten eine Verzerrung des Wettbewerbs mit den gesetzlichen Kassen beklagt und sehen sich in ihrer Existenz gefährdet. Die Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) konnte dagegen jetzt jubeln. „Ich bin froh“, sagte Ulla Schmidt (SPD), „froh und erleichtert“.

Schmidt sagte, auch die privaten Krankenversicherungen müssten soziale Verantwortung übernehmen, damit jeder Bürger einen Krankenversicherungsschutz habe und ältere Menschen vor überhöhten Prämien geschützt werden könnten. Eine Spitze gegen alle widerspenstigen Akteure im Gesundheitswesen konnte sie sich in ihrer Erklärung nicht verkneifen: Sie hoffe, dass die Privatversicherer nun konstruktiv an künftigen Gesundheitsreformen mitarbeiteten.

Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Privatversicherer nicht in ihren Grundrechten der Berufs- und Vereinigungsfreiheit verletzt worden seien. Die Einführung des seit Januar 2009 geltenden Basistarifs sei gerechtfertigt. Dieses Kernelement der Reform beinhaltet, dass private Versicherer einen Tarif anbieten müssen, dessen Leistungen dem Angebot der gesetzlichen Krankenkassen entsprechen – für rund 570 Euro im Monat. Die Unternehmen befürchten, dass ihre Kunden höhere Prämienzahlungen aufbringen müssen, wenn die übrigen privat Versicherten mit ihren Beiträgen nun die Basistarifkunden subventionieren. Dazu kommt, dass die privaten Krankenversicherungen niemanden mehr ablehnen dürfen, der den Basistarif in Anspruch nehmen will.

Doch eine besondere Auswirkung auf das Geschäft der Privaten werde der Basistarif auf „absehbare Zeit“ nicht haben, urteilte das Bundesverfassungsgericht. Der Gesetzgeber konnte davon ausgehen, dass es nicht zu überproportionalen Prämiensteigerungen kommen werde. Sollte sich dies als Irrtum herausstellen, sei er gegebenenfalls zur Korrektur verpflichtet. Die Karlsruher Richter bestätigten auch die Übertragbarkeit von Alterungsrückstellungen. Danach können Versicherte beim Wechsel in eine andere private Versicherung ihre bis dahin angesparten Alterungsrückstellungen mitnehmen. Damit erhöhe sich zwar das Risiko, dass Versicherte abwandern, es gebe aber auch die Chance, Neukunden zu gewinnen, so die Richter. So werde ein funktionierender Wettbewerbs erleichtert.

„Wir müssen die Urteile erst einmal akzeptieren“, sagte Reinhold Schulte, Vorsitzender des Verbandes der Privaten Krankenversicherung. Prämienerhöhungen seien im Moment sicherlich nicht zu erwarten, da es noch wenige Versicherte gebe, die in den Basistarif wechselten. Das Gericht habe zudem ausdrücklich das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung und damit das Existenzrecht der privaten Krankenversicherung bestätigt. „Das ist auch eine Absage an die immer wieder geforderte Bürgerversicherung“, sagte Schulte. Und eine kleine Niederlage für Schmidt, die mit der SPD eine Bürgerversicherung plant.

Der Bund der Versicherten (BdV) glaubt allerdings doch, dass die Urteile gravierende Auswirkungen für die rund 8,4 Millionen privat Versicherten haben werden. „Die Urteile werden mit Sicherheit zu weiteren Beitragserhöhungen bei den Privaten führen“, sagte Thorsten Rudnik, Sprecher des BdV. Die Vorsitzende des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen, Doris Pfeiffer, erklärte, der Basistarif sei den Privatversicherern zumutbar. Außerdem könnten nun auch Privatversicherte vom Wettbewerb profitieren und ihre Versicherung wechseln.

Die Unionsfraktion im Bundestag wertete das Urteil als Bestätigung der gemeinsam mit der SPD beschlossenen Gesundheitsreform. Die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, begrüßte das Urteil, kritisierte aber, dass die Bundesregierung nicht mehr getan habe. Den privaten Krankenversicherungen seien nur minimale Korrekturen zugemutet worden. Gutverdiener könnten sich noch immer aus der solidarischen Krankenversicherung flüchten. Die FDP unterstrich, dass das Verfassungsgericht die Regierung dazu verpflichte, die Konsequenzen der Gesundheitsreform für die privaten Versicherungen zu beobachten. Deren Geschäftsmodell dürfe nicht gefährdet werden. Die Linkspartei begrüßte das Urteil. Es sorge dafür, dass private Versicherungen ihre Kunden nicht mehr mit „Knebelverträgen“ an sich binden könnten.