Spitzenverbände und Institute lehnen Zahlungen an Eltern ab, die Kinder zu Hause erziehen

Berlin. Die Front gegen das Betreuungsgeld wird stärker - und diesmal kommt der Widerstand nicht nur aus der Opposition, sondern aus der Wirtschaft. Und das so druckvoll wie selten zuvor. Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft fordern von der Bundesregierung einen Verzicht auf das geplante Betreuungsgeld. Kritik an dem Vorhaben der schwarz-gelben Koalition kam auch von den Wirtschaftsforschungsinstituten HWWI, RWI und DIW. Die CSU pocht aber auf eine finanzielle Unterstützung für Eltern, die ihre kleinen Kinder zu Hause erziehen.

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Hans Heinrich Driftmann, sagte: "Das Betreuungsgeld könnte dazu führen, dass gerade Familien aus bildungsfernen Schichten die Möglichkeiten einer Kinderbetreuung und damit einen ersten Baustein frühkindlicher Bildung nicht in Anspruch nehmen." Diese aber sei zentral für den Bildungsweg eines Menschen. Handwerkspräsident Otto Kentzler sagte, ausreichende Krippen- und Kitaplätze seien für weibliche Fachkräfte unabdingbar, um Familie und Beruf zu vereinbaren.

Die Berliner CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt verteidigte das Konzept, indem sie darauf hinwies, dass es an der "eindeutigen Entscheidung" des Koalitionsausschusses für dieses Vorhaben "nichts zu rütteln" gebe. Die Regierung habe sich darauf geeinigt, das Betreuungsgeld an diejenigen Eltern auszuzahlen, die einen staatlich geförderten Krippenplatz nicht in Anspruch nehmen. "Und so wird es auch kommen", hob Hasselfeldt hervor.

Der RWI-Präsident und "Wirtschaftsweise" Christoph M. Schmidt warnte, es dürfe keine Anreize dafür geben, "dass Mütter keine Erwerbstätigkeit aufnehmen". Zudem sei nicht ausgeschlossen, dass mit dem Betreuungsgeld "einzelne Eltern dazu angeregt werden, ihren Kindern öffentliche Betreuung vorzuenthalten". Schmidt fügte hinzu: "Nicht zuletzt aufgrund des erheblichen finanziellen Volumens des Betreuungsgeldes sollte dieses gestoppt werden." Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Gert Wagner, hob hervor, es wäre besser, "das Geld in die öffentliche Betreuung kleiner Kinder zu stecken".

Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), kritisierte, das Betreuungsgeld sende die falschen Signale aus und sei "ein Rückschritt hin zur traditionellen Aufgabenteilung der Geschlechter".

Innerhalb der Union lehnen einige Frauen der CDU die Prämie ab. Klar gegen das Konzept positioniert sich die Opposition. Die SPD-Vizebundesvorsitzende und Hamburger Politikerin Aydan Özoguz hoffe sehr darauf, dass "die schwarz-gelbe Bundesregierung vom Irrsinn des Betreuungsgeldes alsbald wieder Abstand nimmt", sagte sie dem Hamburger Abendblatt. "Sollte es nicht auch die Union nachdenklich machen, dass Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften gemeinsam dieselbe Forderung erheben?"