Sigmar Gabriel warnt vor einem Rücktritt des Bundespräsidenten Christian Wulff. Die SPD fordert vielmehr eine “rückhaltlose Aufklärung“.

Berlin. Sigmar Gabriel hat sich dafür ausgesprochen, den wegen eines umstrittenen Privatkredits in der Kritik stehenden Bundespräsidenten Christian Wulff im Amt zu halten. "Es wäre verheerend und nahe an einer echten Staatskrise, wenn innerhalb von zwei Jahren zum zweiten Mal ein Bundespräsident zurückträte“, sagte der SPD-Vorsitzende der Zeitung "Die Welt“. "Rückhaltlose Aufklärung soll nicht zum Rücktritt, sondern zu einer Rückkehr in eine angemessene und glaubwürdige Amtsführung führen", sagte Gabriel und sprach sich mit Nachdruck für den Verbleib von Wulff in seinem Amt aus. Zugleich forderte er aber erneut die Offenlegung der Umstände von Wulffs umstrittenen Privatkredit. Vor allem müsse im niedersächsischen Landtag geklärt werden, ob Wulff sich als Ministerpräsident an Recht und Gesetz gehalten habe und ob er der Öffentlichkeit die Wahrheit gesagt habe.

Würden diese noch immer offenen Fragen nicht beantwortet, wäre „der Schaden für das Amt des Bundespräsidenten und für das Vertrauen in die Politik enorm“, sagte der SPD-Vorsitzende. Träger öffentlicher Ämter dürften auch Fehler machen, müssten aber besonders klar, eindeutig und glaubwürdig damit umgehen: „Taktisches Verhalten und Bauernopfer wie die Entlassung seines Pressesprechers sind fehl am Platz.“

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sieht in der Finanzierung von Anzeigen für ein früheres Buch von Wulff durch den Geschäftsmann Carsten Maschmeyer keinen Verstoß gegen das Parteiengesetz. „Derzeit kann die Bundestagsverwaltung in diesem Sachverhalt keine Anhaltspunkte für einen Verstoß erkennen“, sagte eine Bundestags-Sprecherin der „Rheinischen Post“ (Samstag).

Der mit Wulff befreundete Unternehmer hatte im niedersächsischen Landtagswahlkampf 2007/2008 eine Anzeigenkampagne für das Wulff-Buch „Besser die Wahrheit“ finanziert. Damals war Wulff noch Regierungschef in Hannover. Von den Zahlungen wusste Wulff nach Angaben seines Anwalts, Maschmeyers und auch des Verlages nichts.

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Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, sagte der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag): „Ich würde es als einen Verlust empfinden, wenn er (Wulff) von seinem Amt zurücktreten würde.“ In persönlichen Begegnungen habe er Wulff als sehr überzeugend empfunden: „Ich finde, dass er zunehmend gut ins Amt gefunden hat.“ Die persönliche Erklärung des Präsidenten am Donnerstag sei ein guter Schritt gewesen.

Die traditionelle Fernsehansprache des Bundespräsidenten zu Weihnachten fand in diesem Jahr deutlich weniger Publikum als im Vorjahr. Im ZDF brachte es Wulff auf 3,18 Millionen Zuschauer (14,5 Prozent), in der ARD auf 4,46 Millionen (15,8 Prozent). Mit zusammen 7,64 Millionen lag Wulff damit deutlich unter dem Wert von 2010, wo mehr als neun Millionen die Weihnachtsansprache verfolgt hatten. Im Vorfeld war allerdings bekanntgeworden, dass Wulff in der Ansprache nicht auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe eingeht.

Wulff steht seit zwei Wochen in der Kritik, weil er 2008 noch als niedersächsischer Ministerpräsident von der Frau des befreundeten Unternehmers Egon Geerkens einen 500 000-Euro-Kredit für den Kauf eines Privathauses aufnahm, diesen 2010 auf eine Anfrage im Landtag aber unerwähnt ließ. Auch die große Nähe Wulffs zu anderen Unternehmergrößen ist umstritten. So verbrachte er als Regierungschef zwischen 2003 und 2010 sechs Urlaube bei Freunden in Spanien, Italien, Florida und auf Norderney – als deren Gast.