Beim Besuch des griechischen Regierungschefs sichert Merkel deutsche Hilfen zu. Unionsfraktion stimmt für größeren Rettungsschirm.

Berlin. Giorgos Papandreou scheute das Pathos nicht. "Yes, we can", zitierte der griechische Ministerpräsident den Ausspruch des US-Präsidenten Barack Obama - er, Papandreou, garantiere, dass Griechenland alle internationalen Verpflichtungen einhalte . Der Regierungschef bat um Vertrauen und übte zugleich Selbstkritik: "Wir sind kein armes Land. Wir waren ein schlecht geführtes Land." Doch Griechenland werde wieder zu Wachstum und Wohlstand zurückkehren nach einer "Periode der Schmerzen" .

Ort und Zeit von Papandreous gestriger Rede waren klug gewählt: Als Ort hatte der griechische Regierungschef Berlin ausgesucht, die Hauptstadt des wichtigsten Euro-Landes und damit des schon jetzt größten Bürgen für die griechischen Schulden, der künftig noch wichtiger werden wird. Papandreou trat auf dem Tag der deutschen Industrie auf, einer Veranstaltung des Industrieverbandes BDI. Hier traf der Grieche mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch auf seine wichtigste Verbündete im Kampf gegen den griechischen Staatsbankrott.

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Klug gewählt war auch der Zeitpunkt der Rede. Denn gestern wollte die Unionsfraktion in einer Probeabstimmung testen, ob sie eine eigene Mehrheit zustande bekommen wird, wenn der Bundestag morgen über eine Erweiterung des Rettungsschirms EFSF abstimmt. Durch diese Erweiterung sollen künftig 440 Milliarden Euro Kredithilfen für Not leidende Euro-Mitglieder zur Verfügung stehen. Viele Abgeordnete fürchten jedoch wachsende Risiken, da durch die Aufstockung auch die von Deutschland geleisteten Staatsgarantien auf 211 Milliarden steigen werden.

Für Merkel kam daher der Besuch Papandreous wie gerufen. Seit Tagen wirbt die Regierungschefin für die Erweiterung, rief sogar renitente Abgeordnete persönlich an, um sie am Telefon umzustimmen. Denn je praller die Notkassen gefüllt sind, desto beruhigter sind die Finanzmärkte. Auch gestern bat Merkel wieder eindringlich für die umstrittene Aufstockung: "Der Euro ist unsere gemeinsame Zukunft, die Zustimmung ist von allergrößter Bedeutung", unterstrich die Kanzlerin beim Industrietag. Den Griechen zollte sie für ihren Sparkurs Respekt und sicherte ihnen dafür die weitere Unterstützung Deutschlands zu: "Was immer wir an Hilfestellungen leisten können, werden wir leisten."

Möglicherweise überzeugte der Doppelauftritt Papandreou/Merkel auch viele Unionsparlamentarier. Nach Informationen des Abendblatts stimmten bei der Probeabstimmung gestern von den 237 CDU/CSU-Abgeordneten elf mit Nein, zwei enthielten sich. Damit bleibt eine sogenannte Kanzlermehrheit möglich, das heißt, dass die Regierungskoalition es schafft, eine eigene Mehrheit aus mindestens 50 Prozent der Abgeordneten plus eine Stimme zugunsten des Kanzleranliegens zusammenzubekommen. Allerdings dürfen dann noch maximal sechs liberale Parlamentarier abweichen. Bei der FDP-Fraktion gab es keinen Test. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle rechnet aber mit nur wenigen Abweichlern. Vor etwa zwei Wochen hatten lediglich vier Abgeordnete nicht für die Aufstockung gestimmt.

Nach Ansicht des Wirtschaftsforschers Hans-Werner Sinn gefährdet Deutschland mit den Hilfen für überschuldete Euro-Länder seine eigene Kreditwürdigkeit. Die Bundesrepublik müsse bei einem Zahlungsausfall in Griechenland, Irland, Portugal und Spanien alleine für rund 468 Milliarden Euro haften. Und die Wahrscheinlichkeit, dass die Haftung in Anspruch genommen werde, sei hoch. Die deutsche Industrie warnte vor unkalkulierbaren Folgen, falls der Euro-Rettungsschirm scheitern sollte. Noch sei die Wirtschaft in guter Verfassung. Ein Wachstum von drei Prozent im Jahr 2011 sei möglich. "Aber es hängen dunkle Gewitterwolken von den Finanzmärkten am Himmel", sagte Industriepräsident Hans-Peter Keitel. Um die Wirtschaftskraft Griechenlands und anderer südlicher Länder Europas zu stärken, schlug Keitel einen Energiepakt vor. So könnte Solarenergie aus Griechenland in die Industriegebiete kommen. Keitel räumte aber ein, dass das Investitionsklima in Griechenland ungünstig sei.

Tatsächlich haben sich trotz der Beteuerungen des griechischen Regierungschefs seine Landsleute noch keineswegs an die nationalen Sparzwänge gewöhnt. Während ihr Regierungschef in Deutschland Unterstützung erhält, muss er in seiner Heimat gegen starken Widerstand ankämpfen. In der vergangenen Woche kündigte seine Regierung weitere Sparmaßnahmen an. Geplant sind Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst und neue Rentenkürzungen um bis zu 40 Prozent.

Eine für gestern Nachmittag geplante Abstimmung über eine neue Immobiliensteuer löste unterdessen in Athen neue Proteste aus. Die Beschäftigten des öffentlichen Verkehrs traten in einen zweitägigen Ausstand, heute wollen sich ihnen die Taxifahrer anschließen. Auch die Steuerbeamten streikten. Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos rief seine Landsleute dazu auf, sich für den Weg aus der Krise zu "überanstrengen". Man dürfe nicht glauben, die Krise bestehe in der Kürzung von Renten und Gehältern. "Krise wird sein, wenn wir die Renten und Löhne gar nicht zahlen können", sagte Venizelos.

Die Abstimmung über die Immobiliensteuer gilt als wichtiger Test für die griechische Regierung, ob sie weitere Maßnahmen zur Entschuldung durchsetzen kann. Davon wird voraussichtlich auch das Votum der Inspektoren abhängen, die im Auftrag der sogenannten Troika - Europäische Zentralbank, EU und Internationaler Währungsfonds - noch in dieser Woche nach Athen zurückkehren sollen. Ihr Urteil entscheidet darüber, ob das Land weitere Hilfen aus dem internationalen Rettungspaket erhält. Wenn die Tranche über acht Milliarden Euro ausbleibt, ist Hellas in Kürze pleite. Während sich Venizelos optimistisch zeigte, dass die nächste Tranche rechtzeitig gezahlt werde, dämpfte der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker Erwartungen. Eine Freigabe des nächsten Kreditpakets auf der Sitzung der Euro-Gruppe am kommenden Montag sei ausgeschlossen, "denn bis dahin wird die Troika ihren Bericht noch nicht vorgelegt haben". Für Griechenland wird die Zeit knapp.