Der Beamte sei unverletzt aus der Menge geführt worden. Von einer feindseligen Stimmung gegen die Polizei könne keine Rede sein.

Stuttgart. Nach den Ausschreitungen und dem Polizeieinsatz rund um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 ist Streit über die Anstifter der Krawalle entbrannt. Bei der Erstürmung der Baustelle hat es nach Darstellung der „Parkschützer“ keine Gewalt gegen Polizisten gegeben. „Die Polizei fantasiert, dramatisiert und kriminalisiert, um einen Keil in den Widerstand zu treiben“, sagte der Sprecher der Aktivistengruppe, Matthias von Herrmann, der Nachrichtenagentur dpa. Laut Polizei war eine Streife in Zivil nach ihrer Enttarnung schwer verletzt worden. Dies wies von Herrmann zurück. Der Beamte sei von Demonstranten aus der Menge geführt worden – unverletzt. Von einer feindseligen Stimmung gegen die Beamten könne keine Rede sein. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) rief erneut zu Besonnenheit auf. „Eine Stärke des Protests war, dass er konsequent gewaltfrei war“, sagte Hermann auf SWR1.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Baden-Württemberg hat am Dienstagmorgen beim Verwaltungsgericht Stuttgart eine einstweilige Anordnung gegen den Weiterbau des Bahnprojekts Stuttgart 21 beantragt. Der Eilantrag richtet sich gegen das Eisenbahn-Bundesamt. Es soll der Deutschen Bahn anordnen, alle weiteren Baumaßnahmen mit sofortiger Wirkung zu untersagen, wie BUND-Landesgeschäftsführer Berthold Frieß sagte. Der Baustopp müsse solange gelten, bis in einem neuen Planfeststellungsverfahren über die Anträge der Deutschen Bahn auf erhöhte Grundwasserförderung und -entnahme rechtswirksam entschieden werde. Die Bahn hatte angekündigt, etwa doppelt so viel Grundwasser wie bislang bekannt abpumpen zu wollen.

Derweil hat Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) im Stuttgart 21-Konflikt im Hinblick auf den Einsatz von Wasserwerfern alle Beteiligten zur Besonnenheit aufgerufen. „Wir alle, das heißt wir als Polizei, wir als Politiker, aber auch Demonstranten, können dazu beitragen, dass eine solche Situation in Zukunft vermieden wird“, sagte Gall in einem Interview mit dem Rundfunksender „SWR2“. In der Nacht zu Dienstag war die Situation erneut eskaliert, als mehrere Hundert Demonstranten die Baustelle stürmten. Ob Wasserwerfer in Zukunft erneut als Einsatzmittel gewählt werden, werde auf die jeweilige örtliche Situation ankommen, sagte Gall weiter.

Nach massiven Ausschreitungen bei Protesten gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 hat die Polizei am Dienstag Ermittlungen aufgenommen. Beamte sicherten auf dem Baustellengelände am Hauptbahnhof Spuren an Gebäuden und Fahrzeugen, teilte eine Polizeisprecherin mit. Zudem werde die Aussage eines Polizisten, der den Angriff auf einen Zivilbeamten aus nächster Nähe beobachtet hatte, im Laufe des Vormittags aufgenommen.

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Zur Höhe des Schadens an der Baustelle konnte die Polizei noch keine Aussage machen. Hunderte Stuttgart-21-Gegner hatten am Montagabend nach einer „Montagsdemonstration“ gegen das milliardenschwere Bahnprojekt die Baustelle für das Grundwassermanagement gestürmt, Zäune niedergerissen und Wassertanks besetzt. Bei Angriffen wurden insgesamt neun Polizisten verletzt. Einer liegt nach einer Attacke mit schweren Kopfverletzungen noch immer im Krankenhaus. Am Dienstag war die Eskalation des Vorabends Hauptgesprächsthema unter den Demonstranten. Denn eigentlich, so lautet der Tenor, soll der Protest friedlich sein. (dpa/dapd)