Mißfelder, Gröhe und Mohring warnen. Laut Hauk seien die Schnittmengen größer geworden. Die FDP spielt kaum noch eine Rolle.

Berlin. Früher galt es als unmöglich, dann sind die ersten Versuche in die Tat umgesetzt worden - mehr oder weniger erfogreich. In der Union ist nun eine neue Debatte über schwarz-grüne Bündnisse ausgebrochen. Während CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe und der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, vor einer neuen Diskussion warnten, betonte der CDU-Fraktionsvorsitzende in Baden-Württemberg, Peter Hauk, dass die Differenzen mit den Grünen durch den beschleunigten Atomausstieg erheblich kleiner geworden seien. „Für die Zukunft muss sich die CDU überlegen, mit welchen Parteien sie generell koalitionsfähig bleiben will. Meines Erachtens zählen dazu neben der FDP eben auch Grüne und die SPD“, sagte Hauk der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag.

Eine Bemerkung des baden-württembergischem Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ist der Auslöser der neuen Debatte:. Er zollte Kanzlerin Angela Merkel im „Tagesspiegel am Sonntag“ wegen der Energiewende Respekt gezollt hatte. „Die Verlängerung der Laufzeiten (der Atomkraftwerke) hat unüberbrückbare Gräben aufgerissen, die werden nun wieder eingeebnet“, hatte er mit Blick auf die Union hinzugefügt. Daraus resultiere aber „nicht zwingend“ eine Koalitionsoption für die Bundestagswahl 2013.

In der Union bemühte man sich, die Debatte auch mit Rücksicht auf die Koalition mit der FDP auf Bundesebene wieder einzufangen. „Koalitionsgedankenspielchen sind derzeit so unnütz wie ein Kropf“, sagte Gröhe der „Frankfurter Rundschau“. „Wer dies diskutiert, wird sich schnell in der Opposition wiederfinden“, warnte das CDU-Präsidiumsmitglied Mißfelder. Es gebe trotz der „Avancen“ Kretschmanns keinen Grund, sich auf Planspiele mit den Grünen einzulassen. Der thüringische Fraktionschef Mike Mohring forderte, die Union solle lieber ihr bürgerliches Profil schärfen und die „christlich geprägte Leitkultur im Grundgesetz“ betonen. „Wer auf zwei Hochzeiten tanzt, verdirbt es sich mit beiden – dem Brautpaar und den Gästen“, sagte Mohring zu Reuters.

Mißfelder begründete seine Ablehnung einer Schwarz-Grün-Debatte auch mit Personen: Hindernisse zwischen beiden Parteien gibt es ja nicht nur in der Atompolitik: Auch die Personen Jürgen Trittin und Claudia Roth stehen einer Koalition im Weg“, sagte Mißfelder. Unions-Fraktionschef Volker Kauder kritisierte die Grünen erneut als Innovationsgegner. „Mit dem früheren Außenminister Joschka Fischer wäre eine Zusammenarbeit zweifellos einfacher. Auch CDU-Chefin Merkel hatte seit dem Bundesparteitag mehrfach die Koalitionsspekulationen auf Bundesebene ab 2013 als „Hirngespinst“ abgetan. Aus Sicht einiger Unions-Politiker hatte die Kanzlerin aber selbst die Debatte befeuert, weil sie sich vergangene Woche am Rande des Plenums im Bundestag demonstrativ mit Grünen-Fraktionschef Trittin zusammengesetzt hatte.

Vor allem beim Koalitionspartner FDP herrscht Nervosität, dass die Union wegen der schlechten Umfragewerte der Liberalen bereits nach einem neuen Partner für die Zeit nach der Bundestagswahl 2013 Ausschau halten könnte.

Auch Hauk räumte weiter Differenzen mit den Grünen etwa bei ethischen Vorstellungen ein, forderte aber, die Union dürfe jetzt „keine Türen zuschlagen“. „Mit der sogenannten Energiewende und der Verkürzung der Laufzeiten für Atomkraftwerke ist die Schnittmenge mit den Grünen deutlich größer geworden“, betonte er. „Am Ende sind es immer die Schnittmengen, die zählen.“

Leidtragender der neuen Debatte ist die FDP. Strategisch stecken die Liberalen jetzt in der Klemme. Schwarz-Grün oder auch Schwarz-Rot regt die politische Fantasie an. Die FDP aber kann ihren Anhängern derzeit keine Machtperspektive bieten. Das Verhältnis zur Union hat sich auch mit Rösler noch nicht erkennbar verbessert. CDU und CSU halten den nach Luft schnappenden Koalitionspartner teils mit Wonne unter Wasser.

Schwarze und Grüne an einem Tisch

In der Debatte über eine schwarz-grüne Koalition im Bund mögen sich zwar die Gemüter erhitzen. In einigen Bundesländern und Großstädten sind solche Regierungsbündnisse aber keineswegs neu.

HAMBURG: In Hamburg ging 2008 Deutschlands erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene an den Start. Argwöhnisch beäugt funktionierte das Experiment zunächst gut. Zwar mussten die Grünen, die sich in der Hansestadt GAL nennen, einige Schlappen bei ihren Themen Umwelt und Schulreform einstecken. Dennoch hielt das Bündnis - auch wegen Bürgermeister Ole von Beusts (CDU) umgänglicher Art.

Nach dessen Ausscheiden kündigten die Grünen Ende November 2010 dann die Koalition mit seinem Nachfolger, dem als Hardliner verschrieenen Christoph Ahlhaus (CDU). Ein Grund dafür war das Personal-Karussell im Senat sowie nach Aussage der Grünen nicht mehr belastbare Abstimmungen und Absprachen. Bei den Neuwahlen wurden beide Parteien abgestraft: Die SPD erhielt die absolute Mehrheit und regiert nun alleine.

SAARLAND: Die erste schwarz-gelb-grüne Landesregierung amtiert seit Herbst 2009. Sorgte das saarländische Jamaika-Bündnis anfangs für Aufsehen, ist das Regieren inzwischen unspektaktulär: Alle stehen zum Koalitionsvertrag und treten meist geschlossen auf. Die Opposition kritisiert indes die Konzeptlosigkeit der Regierung.

Als kleinster Partner spielten die Grünen oft das Zünglein an der Waage und konnten etwa die Abschaffung von Studiengebühren umsetzen. Beim Thema Bildungsreform mussten sie dagegen Abstriche machen.

Ministerpräsident Peter Müller (CDU) galt als Garant für den Fortbestand der Koalition. Im August übernimmt Sozialministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) die Führung. Anzeichen für ein vorzeitiges Ende der Koalition gibt es aber nicht; CDU, FDP und Grüne müssten bei Neuwahlen um die Macht bangen.

FRANKFURT AM MAIN: In Frankfurt klappt die Zusammenarbeit zwischen CDU und Grünen nach deren Aussagen prächtig. Beide Parteien haben sich Anfang Mai auf die Fortsetzung der Koalition verständigt. Zwar verfügt Schwarz-Grün im Stadtparlament über eine stabile Mehrheit. Bei den Kommunalwahlen im März kam die CDU aber nur noch auf 30,5 Prozent, während die Grünen um 10,5 Punkte auf 25,8 Prozent zulegten.

Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) spricht von einer „Koalition der Nachhaltigkeit“ und geht damit klar auf die Grünen zu: Die Stadt soll unter Schwarz-Grün zur „Green City“ werden. Wichtige Punkte im Koalitionsvertag sind mehr Klimaschutz, mehr Frauen an der Spitze städtischer Gesellschaften, mehr Schutz vor steigenden Mieten in begehrten Stadtteilen sowie weniger Verkehrslärm. (rtr/dpa/abendblatt.de)