Berlin beschließt Awacs-Einsatz am Hindukusch, um die Bündnispartner für Libyen zu entlasten. Opposition ist empört: “Kuhhandel“.

Berlin. Nach dem umstrittenen Beschluss der Bundesregierung, die Teilnahme an den Militäraktionen gegen Libyen zu verweigern, weitet Deutschland sein Engagement in Afghanistan aus. Die Bundeswehr wird sich am Einsatz der Awacs-Überwachungsflugzeuge der Nato beteiligen. Dafür entsendet das Verteidigungsministerium bis zu 300 Soldaten zusätzlich in den Einsatz. Durch die Flugraumüberwachung wolle Deutschland die Verbündeten im Libyen-Einsatz entlasten, begründete Außenminister Guido Westerwelle (FDP) das neue Mandat. Er hatte den Einsatz bisher abgelehnt - jetzt rechtfertigte er den Kurswechsel. Anfang des Jahres habe die Regierung auf die Beantragung des Awacs-Einsatzes verzichtet, weil sie den Schwerpunkt auf die Ausbildung afghanischer Soldaten gelegt habe. "Jetzt sage ich: Die Lage in Libyen hat auch die Lage insgesamt verändert."

Die Opposition reagierte entrüstet auf den Strategiewechsel. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf der Koalition ein katastrophales Krisenmanagement vor. "Wir sind empört darüber, dass die Regierungsparteien dieses Dilemma, in das sie sich durch die Libyen-Abstimmung begeben haben, jetzt auszugleichen versuchen mit einem schnell in den Bundestag eingebrachten Awacs-Mandat für Afghanistan." Der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour sprach von einem unseriösen "Kuhhandel", der das "Desaster der Passivität der Bundesregierung" im Libyen-Konflikt schnellstmöglich vergessen machen solle.

Nicht allein wegen der Awacs-Wende, auch aufgrund eines Zeitungsberichts stand der Außenminister gestern besonders unter Druck. Das Auswärtige Amt dementierte eine Meldung der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", Westerwelle habe bei der Abstimmung zur Libyen-Resolution im Uno-Sicherheitsrat ursprünglich mit Nein stimmen lassen wollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe ihm die Enthaltung abringen müssen, diese sei ein Koalitionskompromiss. Die Enthaltung Deutschlands sei von Anfang an eine gemeinsame Abwägungsentscheidung der Bundesregierung gewesen, sagte dagegen Westerwelles Sprecher Andreas Peschke. Der Außenminister habe keineswegs von irgendetwas abgebracht werden müssen.

Nach dem Awacs-Beschluss der Bundesregierung muss morgen der Bundestag der Ausweitung des Einsatzes am Hindukusch zustimmen. Die Mandatsgrenze von 5350 deutschen Isaf-Soldaten in Afghanistan soll jedoch nicht angehoben werden. Vielmehr will sich die Koalition der sogenannten flexiblen Reserve von 350 Soldaten bedienen. Bereits 2009 hatte der Bundestag zwar ein Mandat für die Beteiligung deutscher Soldaten an Awacs-Einsätzen in Afghanistan beschlossen - jedoch ohne Folgen. Der Einsatz kam damals nicht zustande.

Neben einem klaren Votum von FDP und Union gilt trotz der scharfen Kritik Steinmeiers auch die Zustimmung der SPD am Freitag als gesichert. In einer Probeabstimmung verzeichneten die Sozialdemokraten gestern lediglich 19 Neinstimmen. Während mit einer Ablehnung der Linkspartei gerechnet wird, bleibt das Abstimmungsverhalten der Grünen unklar.

Die Union ist darüber verärgert. Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff (CDU) sagte dem Abendblatt: "Ich sehe die Grünen beim Awacs-Mandat in der Pflicht. Der Afghanistan-Einsatz wurde unter dem grünen Außenminister Joschka Fischer begonnen." Natürlich gehöre ein klares Lagebild zu der Durchführung des Auftrags, betonte der CDU-Außenpolitiker. "Es ist daher ein politisches Gebot für die Grünen, dem Awacs-Mandat zuzustimmen." Schockenhoff machte deutlich, dass sich an den ursprünglichen Abzugsplänen der Koalition nichts verändern soll. "Wir wollen in diesem Jahr Verantwortung an afghanische Kräfte übergeben. Wir gehen davon aus, in diesem Jahr erste Truppenteile abzuziehen. Diesem Ziel dient auch der Awacs-Einsatz", sagte er. Zu Beginn des neuen Einsatzes rechnet das Verteidigungsministerium mit vorerst bis zu 100 Soldaten, die an den Überwachungsflügen teilnehmen. Awacs, das im Englischen für "Airborne Warning and Control Systems" steht, dient der Früherkennung von Flugzeugen und anderen fliegenden Objekten.

Mit ihrem starken Radar können die Maschinen aus einer Höhe von etwa 9500 Metern einen Umkreis von 400 Kilometern überwachen. Sie können digitale Bilder in Echtzeit übertragen und Jagdflugzeuge dirigieren. Ziele am Boden können die Awacs indes nicht erfassen. Hauptstützpunkt der 17 Flugzeuge und der drei zusätzlichen Schulungs- und Transportmaschinen ist seit 1982 Geilenkirchen bei Aachen. Die international zusammengesetzten Crews bestehen jeweils aus 16 Spezialisten, vom Piloten bis zum Radartechniker. Die Maschinen gehören zu den wenigen Militärgeräten, die im Besitz der Nato sind und nicht nur von den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt werden.