Bestürzung in der Union. Guttenberg tritt wegen Plagiats-Affäre zurück. Grüne: “Riesen-Blamage“ für Merkel

Berlin. Noch nie stieg ein deutscher Politiker so schnell in Spitzenämter auf - und noch nie fiel einer so schnell so tief: Der Rücktritt von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat ein politisches Erdbeben ausgelöst. Vor allem die Unionsparteien zeigten sich gestern bestürzt von Guttenbergs Rückzug, mit dem er aus der Plagiats-Affäre um seine Doktorarbeit die Konsequenzen zog. Der Abgang trifft die Bundeswehr mitten in der größten Reform ihrer Geschichte.

"Ich bedaure den Rücktritt sehr", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie habe Guttenbergs Bitte, ihn aus seinem Amt zu entlassen, "schweren Herzens" angenommen. Nach eigener Aussage erfuhr Merkel, die Guttenberg bis zuletzt gestützt hatte, erst am Morgen von dem Rücktritt. CSU-Chef Horst Seehofer sagte, seine Partei sei "sehr erschüttert und betroffen". SPD, Grüne und Linkspartei warfen Merkel vor, in der Krise versagt zu haben. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sprach von einer "Riesen-Blamage" für die Kanzlerin.

Guttenberg hatte seine Entscheidung am späten Vormittag im Berliner Verteidigungsministerium bekannt gegeben. "Es ist der schmerzlichste Schritt meines Lebens." Dabei sei nicht seine fehlerhafte Doktorarbeit der ausschlaggebende Punkt. "Der Grund liegt im Besonderen in der Frage, ob ich den höchsten Ansprüchen, die ich selbst an meine Verantwortung anlege, noch nachkommen kann", betonte Guttenberg. "Ich war immer bereit zu kämpfen. Aber ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht."

Der Minister hatte bereits vergangene Woche Fehler in seiner Doktorarbeit eingeräumt. Ihm wird vorgeworfen, große Teile abgeschrieben zu haben, ohne die Quellen zu kennzeichnen. Auf mehr als 270 Seiten der 475-Seiten-Schrift sollen sich entsprechende Stellen finden. Auch in den eigenen Reihen waren immer mehr kritische Stimmen laut geworden. Zehntausende Doktoranden hatten Merkel in einem offenen Brief zu Konsequenzen aufgefordert. Die Universität Bayreuth, die Guttenberg die Doktorwürde verliehen hatte, will weiter prüfen, ob der Politiker bewusst getäuscht hat. Guttenberg sagte, er habe Verständnis für Forderungen, dass es auch eine strafrechtliche Würdigung der Affäre geben solle. Falls die Staatsanwaltschaft eine mögliche Verletzung des Urheberrechts überprüfen wolle, sollten die Ermittlungen möglichst zeitnah erfolgen. Guttenberg wird im Amt bleiben, bis ein Nachfolger ernannt ist. Merkel wollte sich gestern über mögliche Kandidaten nicht äußern. Die CSU will am Freitag über die Personalie beraten. Dabei geht es auch um die Frage, ob sich der 39-Jährige tatsächlich komplett zurückziehen wird. Gestern Abend gab er auch sein Bundestagsmandat auf.

Seehofer kündigte an, er werde "alles tun", damit Guttenberg der deutschen Politik erhalten bleibe. Auch die Kanzlerin schloss eine Rückkehr nicht aus. Der Minister habe die Fähigkeit gehabt, die Herzen der Menschen zu erreichen, sagte sie. Der Merkel-Biograf und Politikwissenschaftler Gerd Langguth zieht sogar weiter eine künftige Kanzlerschaft Guttenbergs in Betracht. "Er ist weiterhin ein potenzieller Nachfolger des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chefs Horst Seehofer. Genau ein solches Amt bräuchte er, wenn er politisch überleben und eines Tages Bundeskanzler werden will - denn das ist nach wie vor möglich", sagte Langguth dem Abendblatt.