Guttenberg tritt zurück und hat eine neue Chance.

In der Stunde seiner größten Niederlage zeigte Karl-Theodor zu Guttenberg noch einmal alle Stärken und Schwächen. Seine Rede zum überfälligen Rücktritt war emotional, sein Vortrag tadellos, die Blitzlichter genau richtig, um sich noch einmal darin zu sonnen. Das wird denjenigen, die noch immer finden, er hätte weiter im Amt des Verteidigungsministers bleiben sollen, nahegegangen sein.

Aber da war auch wieder dieses "Schuld sind immer die anderen"-Motiv, das sich wie ein roter Faden durch seine Karriere zieht. Die Medien, die Öffentlichkeit, die politischen Gegner - nur nicht er selbst - tragen die Schuld an seinem Scheitern, so legt er es einmal mehr im Stile eines großen Populisten dem Publikum nahe. Das wird all diejenigen, die er in den vergangenen Tagen gegen sich aufgebracht hat, in ihrem negativen Urteil über den Baron aus Bayern bestätigen.

Nun sei ihm die Kraft ausgegangen, sagte Guttenberg in die Kameras. Wenn das stimmen sollte, hat ihm seine Physis einen besseren Dienst erwiesen als sein Intellekt.

Der hätte ihm schon unmittelbar nach Bekanntwerden seines Plagiats sagen müssen, dass er nicht mehr Minister sein kann. Kern seiner persönlichen Autorität waren Ehre, Anstand und Stilsicherheit. Wer bei anderen abschreibt, schreibt diese Tugenden ab. Übrig bleibt ein etwas besser aussehender, etwas jüngerer und etwas medienbegabterer Politiker als die anderen, also wenig mehr, als heute handelsüblich ist. In jedem Fall zu wenig aber, der mit dem hohen Amt verbundenen Verantwortung und den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, die auf dem Höhepunkt seiner Popularität ja bereits einmal mit dem Kanzleramt in Verbindung gebracht wurden.

Nun, sozusagen im allerletzten Moment, hat er sich ganz offenbar an seine eigenen Werte erinnert und die richtige Konsequenz daraus gezogen. Das zeigt Stärke im Moment der Schwäche. Und wohlkalkuliert ist es auch.

Denn mit seinem Rückzug aus der Regierung schafft er Angela Merkel vor den wichtigen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ein bisschen Entlastung. Sie hatte sich - ungewöhnlich genug - bis zuletzt hinter den fallenden Star ihres Kabinetts gestellt. Mit der nahe an Wirklichkeitsverweigerung heranreichenden Schizophrenie durch die Unterscheidung in Wissenschaftler (der ein Plagiator ist) und Minister (der einen guten Job macht) hat sich die promovierte Physikerin keinen guten Dienst erwiesen. Das ist Geschichte.

Und Guttenberg selbst kann nach dem Last-Minute-Abgang, an dessen vorangegangene Details sich schon bald niemand mehr erinnern wird, auf eine zweite Chance hoffen. Wenn es ihm gelingt, aus der Niederlage zu lernen, seine Persönlichkeit weiterzuentwickeln und in der Frage des Umgangs mit eigenen Fehlern erwachsen zu werden, wird man ihn nach einer maßvollen Anstandsfrist auf der politischen Bühne wiedersehen. Er wird gerufen werden, um ein hohes Amt zu übernehmen, und ein Großteil der Deutschen wird zu Recht Beifall klatschen.

Denn eine Erkenntnis darf im Jubelgeheul seiner Gegner nicht untergehen: Auch ohne Doktor-Titel und mit der Schramme eines Rücktritts im Lebenslauf hat Karl-Theodor zu Guttenberg mehr Potenzial und mehr Strahlkraft als viele andere, die gerne Kanzler werden würden.