Die Grünen wollen sich öffnen und auch treu bleiben. Das ist die Herausforderung beim Parteitag. Es geht auch um das Regierungsprogramm.

Berlin. Es ist der richtige Ort zur richtigen Zeit. Von heute an treffen sich die Grünen zu ihrem Parteitag in Freiburg. In einer Stadt, die als Ökohauptstadt den Beinamen "Green City" trägt, in der seit acht Jahren ein grüner Oberbürgermeister regiert. Und mit Baden-Württemberg in einem Bundesland, in dem es nicht unwahrscheinlich ist, dass die Partei dort ab März den nächsten Ministerpräsidenten stellen könnte. In Freiburg sind die Grünen nicht nur die Könige der Umfragen, wie in weiten Teilen im Rest der Republik. Hier sind sie längst angekommen im politischen Establishment. Das gibt Sicherheit. Zumindest vorerst.

Denn die Grünen sind nervös. Zwar verleihen ihnen die Demoskopen jede Woche neuen Wind unter den Flügeln - doch wirft der Zuspruch von außen innerhalb der Partei viele Fragen auf. Es gibt die Angst, mit einer Öffnung für die breite Masse Profil zu verlieren. In den Mainstream zu verfallen, spießig zu werden. Vor allem aber steht die Partei jetzt vor der Herausforderung, ihre frohen Botschaften und den viel gepriesenen Wohlfühlfaktor in ein regierungstaugliches Programm zu gießen - und dabei sowohl die klassischen Ökos nicht zu verprellen als auch das Bürgertum weiterhin für sich zu gewinnen.

"Wir müssen realitätstaugliche Konzepte vorlegen, ohne unsere Visionen für die Zukunft zu verlieren", sagt Kovorsitzende Claudia Roth zum Spagat, der jetzt vor den Grünen liegt. Sowohl sie als auch der zweite Parteichef Cem Özdemir stellen sich in Freiburg zur Wiederwahl. Weil es keine Gegenkandidaten gibt, ist das für beide eine sichere Sache. Kontinuität und Stabilität sind wichtig, der Aufschwung soll nicht gefährdet werden. Im Mittelpunkt des Parteitags, der im Grünen-Jargon Bundesdelegiertenkonferenz heißt, stehen deshalb auch Klassiker wie Atomausstieg und Klimaschutz. Die Hamburger Bundestagsabgeordnete Krista Sager, die ebenfalls in Freiburg dabei ist, sagte dem Abendblatt, vom Parteitag werde "eine Kampfansage an die schwarz-gelbe Regierung in Sachen Atompolitik ausgehen". Es werde deutlich werden, "dass die Grünen die besseren Konzepte für Klimaschutz und Energieversorgung haben".

Aber auch die Zukunft der Kommunen, Nahost- und Gesundheitspolitik stehen auf dem Programm. Streit ist jedoch in keinem der Punkte zu erwarten, Fehler will man tunlichst vermeiden. Sechs Landtagswahlen stehen 2011 auf dem Plan, es gilt, Geschlossenheit an den Tag zu legen. "Auf der Bundesdelegiertenkonferenz wird deutlich werden, dass sich die Grünen ihrer gewachsenen Verantwortung bewusst sind", so Sager. Gleichwohl seien die jetzigen Umfragewerte nicht mit Wählerstimmen zu verwechseln, warnte die Politikerin.

Trotzdem macht der aktuelle Trend auch den politischen Gegner unruhig. Vom CDU-Parteitag am vergangenen Wochenende ging eine Kampfansage in Richtung Grüne - inklusiver einer Absage an Bündnisse auf Bundesebene. Parteichef Özdemir sieht das gelassen. Wenn die Kanzlerin seine Partei "als Kontrapunkt" ausrufe, könne er nur eines sagen: "Das nehmen wir gerne an."