Von Boetticher soll am Sonnabend zum neuen Parteichef gewählt werden und die Nachfolge von Peter Harry Carstensen antreten.

Hamburg. Christian von Boettichers Lieblingsbuch ist der „Herr der Ringe“. Besonders gut in dem weltberühmten Fantasy-Roman gefalle ihm der Zauberer Gandalf – der Anführer einer kleinen Schar von Gefährten, die sich dem Kampf mit bösen Mächten stellen -, verriet der 39-jährige Fraktionschef der CDU im schleswig-holsteinischen Landtag vor kurzem in einer Parlamentsdebatte. Am Samstag wird der Jungstar der Christdemokraten in Deutschlands nördlichsten Bundesland selbst zur Leitfigur werden: Auf dem CDU-Landesparteitag in Neumünster will er sich zum Landesvorsitzenden wählen lassen und die Nachfolge von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen antreten, der sein Amt an der Parteispitze abgibt.

Dass die CDU-Delegierten dem Ansinnen ihrer Parteispitze folgen und den von Carstensen selbst vorgeschlagenen Wachwechsel absegnen werden, daran besteht kein Zweifel. Von einem „reibungslosen Ablauf der Wahl“ wird in Parteikreisen ausgegangen, einen Gegenkandidaten gibt es nicht. Von Boetticher gilt als politischer Ziehsohn Carstensens. Der Luftwaffen-Reserveoffizier und promovierte Jurist kann bereits auf eine steile Karriere zurückblicken: Er war Europaabgeordneter und Landesminister, und seit vergangenem Jahr führt er die CDU-Fraktion im Landtag, die dort seit September gemeinsam mit der FDP regiert.

Dass Carstensen seinen Posten als Landesvorsitzender jetzt freiwillig räumen und sich ganz auf seine Aufgaben als Ministerpräsident konzentrieren will, hat mit der Entscheidung des schleswig-holsteinischen Landesverfassungsgerichts für vorzeitige Neuwahlen bis spätestens September 2012 zu tun. Die sieben Richter hatten das Landeswahlrecht, auf dessen Basis der derzeitige Landtag zustande kam, vor zweieinhalb Wochen für verfassungswidrig erklärt und einen neuen Urnengang angeordnet. Seitdem rüsten sich die Parteien im Land beschleunigt für die anstehenden Auseinandersetzungen und Wahlkämpfe.

Der 63-jährige Carstensen gilt gemeinhin als amtsmüde und wenig gewillt, bei der nächsten Landtagswahl erneut als Spitzenkandidat ins Rennen zu gehen. Die Beförderung von Boettichers zum Parteichef erscheint vielen daher zugleich als Vorstufe dafür, den 39-Jährigen aus dem kleinen Ort Appen im Kreis Pinneberg zu einem späteren Zeitpunkt auch zum CDU-Spitzenkandidaten zu machen. Bislang weisen die Beteiligten derartige Planspiele zurück. Er wolle sich ganz seinem Amt als Ministerpräsident widmen und daher die Vorbereitung der CDU auf den kommenden Wahlkampf einem anderen überlassen, begründete Carstensen seinen Rückzug von der Parteispitze.

Auch von Boetticher wiegelt ab, wenn er auf das Thema angesprochen wird. Die Spitzenkandidatur stehe derzeit nicht zur Debatte, sagt der hochgewachsene neue Hoffnungsträger der CDU. Er sei Fraktions- und „hoffentlich“ bald Parteichef. „Darauf habe ich mich zu konzentrieren.“ In der Tat gibt es noch nicht einmal einen Termin für die Landtagswahl. Die in Umfragen erstarkte Opposition fordert Neuwahlen so schnell wie möglich. Die Koalition aus CDU und FDP, die derzeit ohne Mehrheit dasteht, warnt dagegen vor „Schnellschüssen“ und will die vom Gericht gesetzte Frist ausnutzen.

Mit dem Wechsel zu von Boetticher an der Spitze der Nord-CDU steht indes so oder so auch eine persönliche Akzentverschiebung an: Anders als sein Mentor Carstensen, einem Agraringenieur aus Nordfriesland, ist von Boetticher kein Kind der klassischen ländlichen Christdemokratie. Geboren im wohlhabenden „Speckgürtel“ der Millionenmetropole Hamburg verlegte er sich auf eine Karriere als Jurist und zog bereits mit 29 Jahren als Europaabgeordneter nach Brüssel und Straßburg. Für einen liberaleren Kurs steht er gleichwohl nicht. Er werde die CDU „mit einem klaren konservativen Werte-Profil“ führen, kündigte von Boetticher an.