SPD-Politiker Thilo Sarrazin soll wegen seiner umstrittener Thesen zur Migration nicht länger Bundesbank-Vorstand sein - Verfahren gefordert.

Berlin. In der der Debatte um die als fremdenfeindlich kritisierten Äußerungen des Bundesbank-Vorstands Thilo Sarrazin (SPD) fordern die Grünen neue Regeln zur Abberufung von Bundesbank-Vorständen. Die Fraktionsvorsitzende Renate Künast kündigte gestern an, die Bundesregierung demnächst mit einem Antrag im Bundestag aufzufordern, ein entsprechendes Verfahren einzurichten.

Die Äußerungen Sarrazins widersprechen nach Künasts Ansicht dem Verhaltenskodex der Bundesbank. Danach dürfe ein Banker das Ansehen der Bundesbank und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Institution nicht beschädigen. Dies habe Sarrazin getan. Es gebe aber keine klare Regelung, um ihn seines Amtes zu entheben. „Ich glaube, dass man ein dreistufiges Verfahren finden muss. Beschluss des Vorstands der Bundesbank, Beschluss der Bundesregierung, Abberufung durch den Bundespräsidenten“, sagte Künast. Die Fraktionschefin sagte, die Grünen wollten sich nicht vor einer Integrationsdebatte drücken. Diese müsse aber mit Respekt und Würde geführt werden.

Auch die Linke forderte die Abberufung Sarrazins. Der Bundesbank-Vorstand müsse dies bei der Bundesregierung beantragen. „Ein Spitzenbeamter, der Menschen aufhetzt, ist nicht akzeptabel“, sagte die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch. Sollten die „Selbstreinigungskräfte“ der Bundesbank nicht ausreichen, „dann müssen wir ernsthaftdarüber nachdenken, ob die Unabhängigkeit der Bank wirklich so weit gehen kann, dass man an der Spitze ungestraft solche Thesen vertreten darf“, sagte Lötzsch. Die Bundesbank verwies daraufhin erneut auf den Umstand, dass Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“„eine private Angelegenheit“ sei. „Er äußert darin seine persönliche Meinung. Diese steht nicht im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied der Bundesbank.“

Der frühere Berliner Finanzsenator wirft in seinem Werk einem Teil muslimischer Migranten vor, sich nicht integrieren zu wollen. In einem „Zeit“-Interview, das gestern veröffentlich wurde, bekräftigte Sarrazin, dass die Zuwanderung aus islamischen Ländern aus seiner Sicht eine Gefährdung für das „europäische kulturelle Modell“ darstelle. Es „schreie“ nach Erklärung, „dass Migranten türkischer Herkunft auch in der dritten Generation weit hinter anderen Migrantengruppen zurückbleiben,was den Bildungserfolg angeht“.

Es müsse erwartet werden können, „dass Zuwanderer die Sprache lernen, ihren Lebensunterhalt mit Arbeit verdienen und Bildungsehrgeiz für ihre Kinder haben – dass sie mit der Zeit Deutsche werden.“ Sarrazin ist der Auffassung, dass die Einwanderung von Muslimen Deutschland weit mehr gekostet als eingebracht habe. Die Einwanderung unqualifizierter Migranten könne „in dieser Form nicht weitergehen“, zumal deren Geburtenrate weit höher sei als die der Deutschen. Nachdem SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles Sarrazin wegen dieser Äußerungen gestern im Abendblatt den Rücktritt nahegelegt hatte, brachte der Berliner SPD-Landesvorsitzende Michael Müller ein neues Parteiausschlussverfahren gegen Sarrazin ins Spiel. Müller verwies im Rundfunk Berlin- Brandenburg auf das Urteil der SPD-Schiedskommission vom März, wonach weiter geprüft werden müsse, wie sich Sarrazin in der Partei verhalte.

Es werde jetzt geprüft, „ob es da vielleicht neue Anhaltspunkte gibt und man sich dann auch juristisch auf diesem Wege trennt“. Im März hatte der heutige Bundesbank-Vorstand Sarrazin ein Parteiausschlussverfahren überstanden. „Die SPD muss solche provokanten Äußerungen aushalten“, hatte die Schiedskommission geurteilt. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) warf Sarrazin unterdessen vor, mit seinen Thesen über eine angeblich mangelnde Integrationsbereitschaft von Ausländern Vorurteile zu schüren. „Ich teile die Auffassung von Herrn Sarrazin überhaupt nicht, kann sie auch nicht nachvollziehen, wenn ich bedenke, dass er jahrelang politische Verantwortung getragen hat“, sagte Schavan im WDR.