Zwei Wahlgänge brauchte sie, aber die rot-grüne Koalition steht: Hannelore Kraft führt die Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen.

Düsseldorf. Es war eine Wahl wie im Turbo-Tempo: Die 49 Jahre alte Hannelore Kraft (SPD) ist neue Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen. Sie brauchte zwar zwei Wahlgänge, um gewählt zu werden. Aber ihre rot-grüne Minderheitsregierung hat auch keine absolute Mehrheit, zu der ihr im Landtag eine Stimme fehlt. Die Mehrheiten muss sich Kraft auch außerhalb ihres Bündnisses suchen – vor allem bei den Linken, die die Regierung von Kraft und ihrer politischen Partnerin Sylvia Löhrmann (Grüne) dulden.

In ihren ersten Worten als neue Ministerpräsidentin dankt die schnell vereidigte Kraft ihrem Vorgänger: „Sehr geehrter Herr Rüttgers, ich danke Ihnen für Ihre Arbeit für das Land.“ Kraft sprach von einer schwierigen Aufgabe, die die Wähler der Politik gestellt hätten. Sie sagte, sie nehme den eben geleisteten Eid sehr ernst. Die Regierung sei dem Wohle des Landes verpflichtet. Sie wolle alles tun, um diesen Erwartungen gerecht zu werden.

Kraft erhielt im zweiten Wahlgang, der rasend schnell dem ersten folgte, 90 Ja-Stimmen. 80 Abgeordnete stimmten mit Nein, elf enthielten sich der Stimme. Mit Krafts Wahl hat Schwarz-Gelb im Bundesrat die Mehrheit verloren.

Kraft hatte nach der Wahl am 9. Mai mit allen im Landtag vertretenen Parteien Sondierungsgespräche über die Bildung einer Koalition geführt. Einer Großen Koalition mit der CDU hatte die SPD eine Absage erteilt. Ein Ampelbündnis scheiterte an den Gegensätzen zwischen FDP und Grünen.

Die Wahl der Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen war bereits der dritte Versuch einer SPD-Frau, mit einer Minderheitsregierung an die Macht zu kommen. Heide Simonis in Schleswig-Holstein (2005) und Andrea Ypsilanti in Hessen (2008) scheiterten bei beziehungsweise noch vor der Wahl. Vor zwei Jahren zeigte sich in Hessen, wie lange sich eine Regierungsbildung hinziehen kann, wenn CDU und SPD gleichauf liegen und keiner von beiden eine Mehrheitsregierung bilden kann. Die Lage in Hessen 2008 und Nordhrein-Westfalen 2010 ist ganz ähnlich: Siegestaumel bei der SPD am Wahlabend – und am Ende trennen in beiden Ländern die ehemaligen Volksparteien nur 0,1 Prozentpunkte, wobei jedes Mal die CDU die Nase ein bisschen vorne hat: In Hessen kam sie auf 36,8 Prozent und die SPD auf 36,7, in Nordrhein-Westfalen holte die CDU 34,6 Prozent und die SPD 34,5.

In Hessen hatte Ypsilanti vor der Wahl jede Zusammenarbeit mit den Linken kategorisch ausgeschlossen. Als Ypsilanti am 4. März 2008 ankündigte, dass sie sich unter Umständen mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen lassen werde, versagte ihr die SPD-Abgeordnete Dagmar Metzger ihre Unterstützung, da sie es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren könne, entgegen der Versprechungen im Wahlkampf mit den Linken zusammenzuarbeiten. Im Herbst startete Ypsilanti einen zweiten Versuch – und diesmal waren es vier „Abweichler“, die ankündigten, dass sie Ypsilanti nicht wählen würden. Damit war das Projekt rot-grüne Minderheitsregierung gestorben, und es gab Neuwahlen, aus denen die CDU als Sieger hervorging. Die SPD dagegen verlor 13 Prozentpunkte.