Ist das Sparpaket sozial genug? In der Union wird der Ruf nach höheren Spitzensteuern lauter, die FDP verlangt ein Machtwort der Kanzlerin.

Der Streit um einen sozial ausgewogenen Sparkurs läuft der schwarz-gelben Koalitionsspitze zunehmend aus dem Ruder. Kurz nach der Einigung auf das 80-Milliarden-Sparpaket der Regierung kommt aus der Union der Ruf nach einer stärkeren Belastung von Spitzenverdienern. Die FDP verlangte am Mittwoch ein Machtwort von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen Steuererhöhungen. In einer Umfrage fiel die FDP auf nur noch fünf Prozent der Stimmen. Die SPD warf der Koalition vor, eine „neue Steuerlüge“ vorzubereiten. Drei Wochen vor der Wahl des Bundespräsidenten droht die Debatte um Sparkurs, Gerechtigkeit und Steuern zur Belastung für den schwarz- gelben Kandidaten für das höchste Staatsamt, den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU), zu werden. In der FDP gab es Stimmen, die ein Ja zu Wulff am 30. Juni vom Verzicht auf Steuererhöhungen abhängig machten. Wulff selbst stellte klar, dass er sein Regierungsamt behalten will, sollte er trotz der schwarz- gelben Mehrheit in der Bundesversammlung unterliegen. Bundestagspräsident Norbert Lammert und selbst der CDU- Wirtschaftsflügel kritisierten das Sparpaket der Regierung als sozial unausgewogen. Der Wirtschaftsrat ist unter Bedingungen offen für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnte vor grundsätzlichen Änderungen am Sparpaket: „Wir haben ein ausgewogenes Programm.“ Auch mit Blick auf die FDP sagte er: „Man muss wissen, was man dem anderen zumuten kann.“ Für kleine Korrekturen sei er aber offen. Den Vorwurf der Schieflage wies er in einer Bundestagsdebatte zu den Sparplänen zurück: „Unsere Entscheidungen sind maßvoll, sie sind sozial verantwortbar, sie stärken unsere Chancen für künftiges Wachstum.“

Bundesbank-Präsident Axel Weber nannte den Sparkurs der Regierung alternativlos. Schwarz-Gelb müsse noch mehr sparen, auch wenn dies „heftige Sperrfeuer“ auslösen würde. Lammert sprach sich in der „Rheinischen Post“ für eine parlamentarische Initiative für ein ausgewogeneres Sparpaket aus. Die Vorschläge der Koalition seien notwendig, träfen aber viele Bezieher mittlerer und kleiner Einkommen und von Hartz-IV-Leistungen. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) erteilte dem Vorstoß eine Absage. „Steuererhöhungen wurden unter den Koalitionsspitzen bei den Beratungen des Zukunftspakets ausgeschlossen“, sagte er der „Südwest Presse“ (Donnerstag). Mit den Entlastungen für Familien Anfang des Jahres sei die soziale Balance gewahrt. Auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt wandte sich gegen eine höhere Einkommensteuer für Spitzenverdiener. „Wir haben heute schon erhebliche Steuersätze bis zu 45 Prozent“, erklärte er im Fernsehsender N24.

Hessens Ministerpräsident Roland Koch stellte sich hinter das Sparpaket der Regierung. „Programme dieser Art sind zu loben und nicht zu zerreden“, sagte er beim CDU-Wirtschaftsrat. Über weitere Belastungen äußerte er sich zurückhaltend: „An der Stelle haben wir keinen nennenswerten Spielraum nach oben.“ FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger forderte: „Wir erwarten von der Führung der Union, dass sie das Konzept, das wir gemeinsam vorgelegt haben, auch gemeinsam vertritt.“ Steuererhöhungen gehörten ausdrücklich nicht dazu. „Wir lassen nicht zu, dass einfach FDP- Positionen abgeräumt werden.“ Eine Anhebung des Spitzensteuersatzes sei „Gift für die Konjunktur“. Das Sparpaket der Regierung sieht bis 2014 Maßnahmen im Volumen von gut 80 Milliarden vor. Die größten Einschnitte gibt es bei Sozialleistungen, aber auch die Wirtschaft muss sich auf Belastungen einstellen. Letztere sind aber zum Teil noch unkonkret.

Homburger dementierte einen Zusammenhang zwischen der Wahl des Bundespräsidenten und der Diskussion über Steuererhöhungen. „Wir haben keinerlei Gegengeschäft gemacht“, sagte sie. Es gebe keine Überlegungen, die Besetzung des höchsten Staatsamts mit irgendeiner Haushaltsfrage zu verbinden. Hessens FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn drohte indirekt mit einem Nein zu Wulff, falls die Union seine Partei weiter attackiert. „Die bürgerliche Mehrheit für Wulff in der Bundesversammlung ist nicht sicher, solange unter den Wahlleuten der FDP das Unbehagen über die Union groß ist“, sagte er dem „Rheinischen Merkur“ (Donnerstag). „Das Gerede über Steuererhöhungen muss ein Ende haben.“

Die SPD hielt der Union vor, sie wolle die FDP bis zur Wahl des Bundespräsidenten ruhig stellen. Merkel werde alles vermeiden, was die Unterstützung Wulffs durch die FDP gefährden könne, sagte SPD- Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. „Am 1. Juli geht dann sofort die Debatte um Steuererhöhungen los.“ Nach einer Umfrage für „Stern“ und RTL würde die FDP derzeit nur noch 5 Prozent der Stimmen erhalten. Bei der Bundestagswahl im September 2009 waren es 14,6 Prozent. Schwarz-Gelb kommt auf 37 Prozent, die Opposition auf 56 Prozent.