Die Kirche darf nicht mit dem Finger auf andere zeigen, sagt der römische Kurienkardinal Walter Kasper – und zielt selbst auf einen Kollegen.

Rom/München. Missbrauch in der Kirche, ein unbefriedigender Hirtenbrief des Papstes und Nazi-Vergleiche eines Bischofs: Mit seiner Medienschelte hat sich der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller scharfe Kritik aus den Reihen der katholische Kirche eingehandelt.

Am Montag distanzierte sich der römische Kurienkardinal Walter Kasper von den Äußerungen des Regensburger Bischofs. Dem Bayerischen Rundfunk sagte Kasper, die katholische Kirche solle nicht mit dem Finger auf andere zeigen. „Wir sollen unser eigenes Haus in Ordnung bringen“, sagte er.

Müller hatte am Wochenende im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen heftige Medienschelte betrieben und von einer „Kampagne gegen die Kirche“ gesprochen. Journalisten, die über die Fälle bei den Regensburger Domspatzen berichten, warf Müller „kriminelle Energie“ vor. In einer Predigt im Regensburger Dom soll Müller die Berichterstattung auch in die Nähe der Nazipropaganda gerückt haben. Dafür war Müller parteiübergreifend von verschiedenen Politikern scharf kritisiert worden.

Auch der Vorsitzende des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Alois Glück, distanzierte sich von einem Nazi-Vergleich. Dieser werde „der Situation der Kirche in der Nazizeit nicht gerecht“, meinte der ehemalige CSU-Politiker im WDR-Hörfunk. „Und wir müssen uns darauf konzentrieren, dass hier unsere Hausaufgaben gemacht werden in der katholischen Kirche.“

Der emeritierte katholische Theologieprofessor Hermann Häring (Tübingen) hat den Hirtenbrief des Papstes als unzureichend kritisiert. Entscheidende Fragen würden darin nicht angesprochen, sagte Häring der in Ulm erscheinenden Südwestpresse. „Vergessen sind die Fragen einer grundlegenden Strukturreform. Die katholische Kirche praktiziert immer noch autoritäre Machtverhältnisse“, kritisierte Häring.

Initiativen, die von unten kämen, würden prinzipiell nicht akzeptiert, sagte der Theologe. Dass die katholische Kirche noch immer von allen Priestern die Ehelosigkeit erzwinge, führt seiner Meinung nach zu einer „verkrampften Sexualität“. Zugleich rügte Häring, dass dem Priester ein Maß an Heiligkeit und sakraler Würde zugesprochen werde, das in der Bibel nicht zu finden sei, von ihr auch nicht gerechtfertigt werde und überdies alle ökumenischen Bemühungen blockiere.

Auch die persönliche Rolle des heutigen Papstes Benedikt XVI. als früherer Präfekt der Glaubenskongregation werde ausgespart. Dabei seien die gravierendsten Missbrauchsfälle ab 2001 auf seinem Schreibtisch gelandet, schließlich habe er damals auf Anordnung von Papst Johannes Paul II. eine Meldepflicht eingeführt. Teil des Verfahrens sei die Geheimhaltung nach außen gewesen. Es würde dem Papst gut anstehen, seinen Irrtum einzugestehen und allgemein um Vergebung zu bitten, sagte Häring. (abendblatt.de/dpa/epd)