In Sachen Hartz IV hat sich FDP-Chef Westerwelle nun auch im Bundestag einen Schlagabtausch mit seinen Gegnern geliefert. Diese warfen ihm Hetze vor.

Berline. Wegen seiner Hartz-IV-Kritik hat Bundeskanzlerin Angela Merkel FDP-Chef Guido Westerwelle bereits in die Schranken gewiesen. Er habe seine Kritik so formuliert, als bräche er ein Tabu. Er habe dabei aber inhaltlich nur Selbstverständliches ausgesprochen, sagte Merkel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Im Gegensatz zu Merkel ging die Opposition bei einer zweistündigen Debatte im Bundestag mit Westerwelle weniger sanft ins Gericht. Bei der von den Grünen beantragten Aktuellen Stunde im Bundestag griff sie ihn massiv an, bis dieser in einem überraschend angesetzten Debattenbeitrag zurückschoss.

Er habe „nicht diejenigen kritisiert, die ein schweres Schicksal haben“, sagte Westerwelle. Er habe aber jene aus der Opposition kritisiert, die schon am Tag nach der Hartz-IV-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die von der FDP angestrebten Steuererleichterungen für kleine und mittlere Einkommen als erledigt bezeichnet hätten.

Alles, was verteilt werden solle, müsse zuvor erwirtschaftet werden, bekräftigte Westerwelle. Deshalb seien Steuererleichterungen weiter auf der Tagesordnung. Die Mittelschicht ziehe „den Karren“, deshalb dürfe ihr die Last „nicht immer schwerer gemacht werden“. Westerwelle nannte es einen „Fehler“, wenn nach dem Karlsruher Urteil nur noch über Verteilungsgerechtigkeit gesprochen werde. „Wer Leistungsgerechtigkeit vergisst, wird die soziale Gerechtigkeit verlieren.“

SPD, Grüne und die Linksfraktion hatten den FDP-Chef zuvor massiv angegriffen. Er habe versucht, Hartz-IV-Empfänger gegen Geringverdiener auszuspielen, kritisierten Redner aller drei Fraktionen. Die Vorsitzende des Arbeits- und Sozialausschusses, Katja Kipping (Linkspartei), warf dem FDP-Politiker „Hetze“ vor. Er versuche „Sozialneid zu schüren zwischen den Armen und den ganz Armen“.

Der sozialpolitische Sprecher der Grünen, Markus Kurth, erklärte, in der Debatte um das Existenzminimum offenbare die FDP „ein gestörtes Verhältnis zum Grundgesetz.“ Westerwelle nehme das Urteil aus Karlsruhe nicht ernst. Es gehe um das Existenzminimum nicht um das Lohnabstandesgebot, sagte Kurth. Die Verfassungsrichter haben der Bundesregierung bis Ende des Jahres Zeit gegeben, die Hartz-IV-Sätze neu zu berechnen. Kurth warnte die Koalition davor, den Regelsatz erneut zu niedrig auszurechnen.

Mit ihrem Vorstoß die Hartz-IV-Regelsätze zu erhöhen, scheiterten die Grünen und die Linkspartei. Erwartungsgemäß lehnten Union und FDP die Anträge im Bundestag ab. Die Grünen hatten einen Regelsatz für Erwachsene von 420 Euro im Monat, die Linksfraktion von 500 Euro gefordert. Der Regelsatz für einen Erwachsenen beträgt derzeit 359 Euro im Monat, hinzu kommen die Leistungen für Miete und Heizung.

Vor dem Hintergrund des Verfassungsgerichtes bekannte sich Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ausdrücklich zum Sozialstaat und seinen Leistungen. Man müsse aber den richtigen Ausgleich finden zwischen denen, die arbeiten und denen, die auf Hilfe angewiesen seien, sagte sie. Sie appellierte an die Koalition, große Schritte, die nun getan werden müssten, „nicht mit Streitigkeiten zu verstolpern“.

Von der Leyen rief dazu auf, Kinder besser zu bilden und zu fördern, um ihnen Zukunftsperspektiven zu geben. Es gehe nicht allein um höhere Regelsätze, sondern auch um Sach- oder Dienstleistung von Mensch zu Mensch, etwa für Nachhilfeunterricht. Wenn der Bund in dieser angespannten Haushaltssituation Gelder in die Hand nimmt, „dann müssen wir auch dafür sorgen, dass die eingesetzten Mittel auch in der Förderung der Kinder wirksam werden“. Es dürfe nicht sein, dass sich die Freizeit eines Kindes in der Bahnhofsvorhalle statt im Schwimm- oder Fußballverein abspiele, nur weil die Eltern die Mitgliedsgebühr nicht bezahlen können, sagte die Ministerin.