“Mir geht es auch um meine eigene Geradlinigkeit, die mir viel bedeutet.“ Großes Bedauern bei Kirchenvertretern und Politikern aller Parteien.

Hannover. Nach nur vier Monaten an der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat die Ratsvorsitzende Margot Käßmann gestern ihren Rücktritt erklärt. Zugleich legte sie mit sofortiger Wirkung ihr Amt als Hannoversche Landesbischöfin nieder. Käßmann zog die Konsequenzen aus einer Alkoholfahrt mit ihrem Dienstwagen. Sie könne nach diesem "schweren Fehler" nicht darüber hinwegsehen, dass Amt und Autorität beschädigt seien, sagte sie gestern in Hannover. "Die Freiheit, ethische und politische Herausforderungen zu benennen und zu beurteilen, hätte ich in Zukunft nicht mehr so, wie ich sie hatte."

Die 51-jährige Theologin war sichtlich bewegt, als sie ihren Rücktritt erklärte. Ihre vier Töchter waren dabei anwesend. Es tue ihr leid, dass sie viele enttäusche, die sie gebeten hätten, im Amt zu bleiben, sagte die Bischöfin, die nun den Zusatz a. D. führt. Neben dem Amt gehe es ihr aber auch um Respekt und Achtung vor sich selbst. "Und um meine Geradlinigkeit, die mir viel bedeutet."

Käßmann war in der Nacht zum Sonntag in Hannover betrunken am Steuer ihres VW Phaeton erwischt worden. Sie hatte mit 1,54 Promille Alkohol im Blut eine Ampel bei Rot überfahren. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein.

Dennoch hatte der Rat der EKD seiner Vorsitzenden noch gestern Morgen das Vertrauen ausgesprochen. Man überlasse ihr die Entscheidung "über den Weg, der dann gemeinsam eingeschlagen werden soll". Käßmann war im Oktober 2009 als erste Frau ins höchste Amt der Evangelischen Kirche in Deutschland gewählt worden und hatte jüngst mit ihrer Kritik am Afghanistankrieg für eine innenpolitische Debatte gesorgt.

Führende Politiker und Kirchenvertreter reagierten mit Bedauern und Respekt auf den Schritt Käßmanns. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte: "Ich habe die Zusammenarbeit mit Bischöfin Käßmann sehr geschätzt." Gewürdigt wurden der Mut, die Glaubwürdigkeit und die klare Haltung der Kirchenfrau. "Ihr Rücktritt ist ein schwerer Verlust für den deutschen Protestantismus", hieß es in einer Erklärung der EKD. Auch Frauenrechtlerin Alice Schwarzer zeigte sich gestern betroffen: "Ich finde es falsch, dass sie diese dramatischen Konsequenzen gezogen hat."

Den EKD-Ratsvorsitz übernimmt bis zur Neuwahl im November der Käßmann-Stellvertreter Nikolaus Schneider. Wann der Hannoveraner Bischofssitz neu besetzt wird, ist offen. Käßmann kündigte an, sie wolle Pastorin bleiben.