200 Polizisten will die Bundesregierung nach Afghanistan schicken. „Dazu sind wir gar nicht in der Lage,“ sagt die Gewerkschaft der Polizei.

Berlin. Die Pläne der Bundesregierung, die Polizistenausbildung in Afghanistan auszudehnen, stoßen bei der deutschen Polizei auf Skepsis. „Die Zahlen sind utopisch“, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg der „Thüringer Allgemeinen“ zum Plan, das Kontingent von 123 auf 200 zu vergrößern. „Dazu sind wir gar nicht in der Lage.“ Wegen bundesweiter Sparmaßnahmen im Polizeidienst fehle es schon hierzulande überall an Personal.

Freiberg machte zudem auf die Gefahren des Einsatzes aufmerksam. „Ich warne davor, das Mandat der Polizei zu verändern“, sagte er der „Mitteldeutschen Zeitung“. „Wir bilden gerne aus, aber nur in gesicherten Camps. Wir sind kein Teil des Bürgerkrieges.“ Die Polizei sei auch nicht bereit, die Taliban zu bekämpfen. „Das ist Aufgabe von Militär und paramilitärischen Einheiten.“

In der „Thüringer Allgemeinen“ betonte Freiberg den eigentlich Auftrag der Beamten: „Wir sind eine deutsche Polizei – die Beamten haben bei ihrer Einstellung niemals daran gedacht, irgendwann im Bürgerkrieg in Afghanistan zu landen.“ Die Polizei sei „auf Verbrecherjagd, nicht auf der Jagd nach Sprengfallen“.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wies die Kritik der Polizeigewerkschaft zurück. „So groß sind die Zahlen ja nicht, dass die öffentliche Sicherheit in Berlin, Hamburg oder München dadurch gefährdet würde, wenn 200 deutsche Polizisten afghanische Polizisten ausbilden“, sagte der Minister im ZDF-Morgenmagazin. Es handele sich vielmehr um einen wichtigen Beitrag für die zukünftige Sicherheit Afghanistans.

Die deutschen Ausbilder würden in „gesicherten Gebieten“ arbeiten, alles andere sei Aufgabe der Soldaten, hob der Innenminister hervor. Sie bildeten in den Bereichen Kriminalität, Korruption, Drogen und Sicherheit aus. Dafür werde keine Gendarmerie, also keine bewaffnete Militärpolizei gebraucht. Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Ruprecht Polenz (CDU), sieht keine zusätzliche Gefährdung für deutsche Polizeiausbilder durch die neue Afghanistan-Strategie. „Je enger der Kontakt zur Bevölkerung ist, umso sicherer ist das Umfeld“, sagte er im Deutschlandfunk Bislang sei die afghanische Polizei im Lager ausgebildet worden. Jetzt gehe man „in die Fläche“, sagte Polenz.

Die neue Afghanistan-Strategie hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gestern vorgestellt. 500 Bundeswehrsoldaten sollen zusätzlich nach Afghanistan geschickt werden. Zudem sollen 350 Soldaten als flexible Reserve zur Verfügung stehen, kündigte sie an. Sie könnten in besonderen Situationen – etwa bei der Absicherung der Parlamentswahlen im Herbst – eingesetzt werden. Die Gesamtstärke des Bundeswehr-Kontingents würde damit von derzeit 4500 Soldaten auf 5000 bis 5350 steigen. Allerdings soll ab 2011 zeitgleich ihr Abzug vorbereitet werden. Allerdings sollen nicht nur die Truppen sondern auch die Entwicklungshilfe aufgestockt werden. Ab 2010 soll sie von 220 Millionen Euro auf 430 Millionen Euro pro Jahr steigen soll.

Kurz bevor die Pläne der Bundesregierung am Donnerstag auf der internationalen Afghanistan-Konferenz in London vorgestellt werden, traf sich Merkel heute noch mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai zu einem Arbeitsfrühstück. Karsai betonte danach, dass sein Land möglichst ab 2014 selbst die Verantwortung für seine Sicherheit übernehmen will. „Afghanistan möchte ihnen bald diese Last abnehmen“, sagte Karsai

Merkel sagte Unterstützung für Afghanistan auch nach dem Abzug der deutschen Soldaten zu. Ein „Alleinelassen Afghanistans“ nach einem Abzug komme nicht infrage. Selbst wenn die afghanischen Sicherheitskräfte komplett selbst die Verantwortung haben und die internationalen Truppen abgezogen sind, wäre es ein wichtiges Signal an die radikalislamischen Taliban, dass die internationale Gemeinschaft garantiert, dass dies auch so bleibt. Dies könne auch finanzielle Zusagen einschließen.

In der Bevölkerung stoßen die Pläne der Regierung indes auf erhebliche Skepsis. Nach einer Umfrage für das Hamburger Magazin „stern“ lehnen vier von fünf Deutschen (79 Prozent) eine Truppenaufstockung ab. Auch unter den Anhängern der Regierungskoalition ist der Widerstand enorm – 77 Prozent der Unions- und sogar 86 Prozent der FDP-Wähler sind gegen eine Truppenverstärkung.